
Vielleicht gibt es nichts interessanteres als ein Menschenleben, denn wo Menschen leben passiert ganz schön vieles. Viel Alltägliches, viel Routine, viel Schönes, Neues und Wunderbares. Viel Trauriges, Schreckliches und grosse Schicksale.
Für jeden ist wohl das eigene (Er-)Leben der Massstab, an dem andere gemessen werden. Manchmal finden wir, dass unser Erlebtes das Tollste ist und manchmal das Schlimmste von allen. Manchmal denken wir, wir müssten am meisten tragen, am meisten erdulden und erleiden. Wir wünschen uns irgendwas (eine Freundin, ein Kind, ein Auto, heiraten, einen neuen Job, ein Erlebnis, Ferien, einen Hund….), erreichen (bekommen, kaufen…) es…
Und dann dauert es nicht lange und es wird zur Routine. Wir haben uns dran gewöhnt, kennen es in- und auswendig, sooooo interessant ist es gar nicht mehr, wir langweilen uns damit ein bisschen…
Wir wünschen uns, aus der Routine ausbrechen zu können, möchten etwas Neues, Anderes erleben, finden unseren Alltag öde und zu unspektakulär. Immer dieselben Abläufe, derselbe Trott…
Manche brechen dann tatsächlich aus, erleben Neues und Spannendes und fühlen sich damit auch selbst wieder begehrenswerter und interessanter… und auch das Neue wird irgendwann Alltag. Same procedure again…
Bei andern ist es andersrum. Sie werden aus dem Alltag rausgerissen, weil irgendwas passiert. Etwas, was unsere ganze Aufmerksamkeit fordert, unsere ganze Energie und uns in sich aufsaugt. Zum Beispiel, wenn man der Partner einer solchen Person ist, die etwas Neues erleben will bzw es tut. Oder halt andere Sorgen, es gibt davon ja genügend und für jeden seine ganz persönlichen kleineren oder grösseren Katastrophen.
2020 ist ja so ein Jahr. Das hat es wirklich in sich.
Es ist mein zweites Jahr seit der Trennung. Man sagt, das erste sei das schwierigste und das war es auch, in vielerlei Hinsicht bzw vermutlich vor allem, weil die persönliche Befindlichkeit noch krisenhaft und ansonsten alles neu und ungewohnt war.
Jedenfalls erinnere ich mich sehr gut an Ende 2019. Ich habe mich auf 2020 gefreut. Auf ein Jahr, das besser werden sollte und noch ein bisschen einfacher vielleicht. Wieder ruhiger werden, vielleicht sogar wieder ein bisschen glücklich manchmal… Nicht, dass ich das 2019 nie war, aber da war bzw ist noch viel Luft nach oben.
Und dann kam Corona mit all seinen Konsequenzen. Das wäre eigentlich schon genug, noch mehr Schwierigkeiten braucht echt keiner. Aber wir wissen es ja. Da wo ein Hund hin pisst, pissen dann all die andern auch hin.
(Ich hab gedacht, ich erfinde mal ein neues Sprichwort. 🙂 )
Ich kann sagen, Corona selbst hatte auf mich keine allzu grossen Auswirkungen. Während des Lockdowns natürlich schon, wie in verschiedenen Texten beschrieben. Ich fand das furchtbare zwei Monate und hätten die noch länger gedauert, ich hätte es nicht mehr geschafft, alles unter einen Hut zu bringen. Während einige die Ruhe und das Nichtstun sooo sehr genossen haben und dies sogar in Langeweile überschwappte, waren für mich bei Homeschooling und Arbeit 24 Stunden pro Tag zu wenig. Und ich sehr unentspannt. Gut, dass es dann mal vorbei war bzw. der Lockdown und ein paar Massnahmen gelockert wurden.
Seitdem fühle ich mich eigentlich nicht eingeschränkt, mein Leben verläuft ziemlich normal. Ausser dass ich mich auf Abstand achte und wirklich viel weniger soziale Kontakte habe, ist alles normal. Und wir sind gesund geblieben bisher, das ist gut.
Ich rege mich nicht darüber auf, dass ich weder auf Konzerte noch auf Parties kann, denn das tu ich aus andern Gründen sowieso schon länger nicht mehr. Also gehts mir eigentlich ganz gut, trotz den Massnahmen, die wir einhalten, um Corona möglichst nicht weiterzuverbreiten.
Aber es ist echt viel anderes dieses Jahr. Ich löse eine schwierige Situation und schwupps, die nächste ist schon da. Es ist tatsächlich momentan ziemlich energieraubend, sich die meiste Zeit über irgendwas grosse Sorgen zu machen. Und es ist schwierig, dies zu machen, ohne dass das Kind etwas davon mitbekommt. Ich versuche es, aber es ist nicht mehr immer möglich zur Zeit.
Natürlich schaffe ich es. Ich schaffe alles. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es gibt keine Alternative. Es sind immer Dinge, die ich im Moment zwar als dramatisch erlebe, wohl weil meine Energie schwindet, die aber lösbar sind.
Ich schaue in die Welt hinaus und sehe ganz andere Probleme. Die richtig grossen. Andere Menschen, die mit Situationen zu kämpfen haben, in denen es ihnen nicht möglich ist, selbst eine Lösung zu finden. Zum Beispiel all die Menschen, die aus ihrem Zuhause geflüchtet sind, in Moria eingepfercht waren und jetzt irgendwo sind. Viele wohlhabende Länder, viele wohlhabende Menschen rundherum wollen davon nichts wissen.
Rassismus nimmt zu. Rechtsradikales Denken. Und es wird geduldet, ja sogar unterstützt. In der Schweiz, in Deutschland, in den USA.
Menschen haben Angst. Die einen, dass sie eingeschränkt werden. Ihrer Rechte beraubt. Sie schreien es raus, sie wollen keine Diktatur, keine Massnahmen gegen Corona. Flüchtlinge sollen dort bleiben wo sie sind oder gleich zurück in ihr Land gebracht werden. Die SVP nennt die Flucht „eine Reise ins Traumland“. Es wird nicht weit gedacht, nicht in die Weite geschaut. Die Angst ums eigene Portemonnaie verhindert so manches, egal in welchem Bereich… Umweltschutz, Flüchtlingswesen, Corona und Gesundheitswesen…
Es geht ums Geld. Einige Musiker oder Künstler stellen sich gegen die Corona-Massnahmen, hetzen und motivieren auch andere sich aufzulehnen. Aber ist dieses Engagement ehrlich oder gehts da einfach nur um die eigenen Interessen? Natürlich verstehe ich, dass sie schon eine Weile wenig oder gar kein Geld verdienen können und das ist schlimm. Aber vielleicht sollte man da sein Beweggründe doch ein wenig mehr hinterfragen?
Jeder von uns hat ein einziges Leben, das er leben muss oder im besten Fall darf. Jeder hat ein Recht auf ein schönes Leben. Ich finde es nicht in Ordnung, dass zu meinen Gunsten andere leiden müssen oder der Planet kaputt gemacht wird. Ich bin fürs Miteinander und fürs Einander helfen, auch wenn sich das nicht immer so einfach gestaltet. Ich würde mich immer für die Schwächeren einsetzen. Leider ist es so, dass dies sehr oft auf der finanziellen Ebene statt findet und genau da sind mir momentan recht die Hände gebunden. Aber irgendwann wird dies anders aussehen. Und das Finanzielle ist nur ein Teil der Unterstützung, es gibt noch andere.
Typischerweise schweife ich wieder mal ziemlich ab…
Also. Zurück zum 2020.
Ich hatte mir für dieses Jahr ja vorgenommen, mich wieder mehr am sozialen Leben zu beteiligen. Mich wieder öfter mit andern treffen. Freundschaften pflegen. Vielleicht sogar im Leben neuer Menschen aufzutauchen bzw. sie bei mir. 2020 macht es mir nicht einfach, muss ich sagen. Aber es ist, wie es ist. Als alleinstehende Frau mit Kind fühle ich mich aber tatsächlich ziemlich isoliert manchmal. Ich habe voll Bock drauf, Menschen zu begegnen, hinter deren Fassade zu gucken und Lebensgeschichten zu hören. Ist dies nicht irgendwie das Salz in der Suppe des Lebens?
Mir ist in der letzten Zeit aufgefallen, dass es mir fehlt, meine Gedanken oder halt auch meine Sorgen mit jemandem besprechen zu können. Es ist nie jemand da, der zuhört, wenn ich krank vor Sorge bin oder mich in etwas hineinsteigere. Niemand, der sich wirklich interessiert. Niemand, der mit mir am gleichen Strick zieht. Mir fehlt kein Partner, ich wünsche mir auch keinen. Aber trotzdem vermisse ich diesen Teil. Ich kann das nicht alles in mir drin behalten, denn das macht mich krank. Aber teilen kann ich es auch nicht bzw ein paar Dinge erzähle ich schon, ich bin da ja eher offen. Aber das ist längst nicht alles und genau das, was man nicht erzählt, plagt einem doch irgendwie tief drinnen ganz besonders stark.
Das ist wohl der nächste Punkt, an dem ich arbeiten werde und dann kommt dann wieder ein neues Thema. Wir kennen es….
Das Reifen und Entwickeln hört nie auf und irgendwie ist es wohl gut so.
Und ich wünsche mir ein kleines bisschen mehr Routine und Alltag und gleichzeitig auch ein kleines bisschen mehr Abwechslung, spannende Menschen, mehr Kommunikation.

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