Sie wären ja sowieso gestorben…


Zwei Monate Corona und es fällt schwer, weiterhin durchzuhalten. Es geht uns allen so, ich weiss. Ich tu’s trotzdem. Durchhalten. Ich bin froh, dass die Zahlen der Neuinfizierten momentan nicht mehr hoch sind und mir wäre es recht, wenn sie nicht nochmal drastisch ansteigen würden. Ich vermisse vieles, denn ich bin ein Mensch, der nicht soooo einfach auf soziale Kontakte verzichten will. Mach ich aber. Natürlich. Für alleinstehende bzw alleinlebende Menschen bedeutet dies, dass man jetzt seit mehr als 8 Wochen keinen so gut wie keinen direkten Kontakt zu andern erwachsenen Menschen hatte. Mir fehlt das sehr. Die Aktivitäten, auf die wir momentan ebenfalls alle verzichten, fehlen mir nicht.

Mich ärgern am ganzen Corona-Zeugs momentan eigentlich die Reaktionen bzw Aussagen von einigen, die ich null nachvollziehen kann. Und ich bin tatsächlich ein Mensch, der vieles versteht und vieles nachvollziehbar findet, auch wenn’s nicht meine Meinung ist.

Heute habe ich zB gelesen „Ich glaube nicht an Corona“. Also was? Was bedeutet das? Ich glaube nicht an Corona? Glaubt man da auch nicht an Ohrenschmerzen oder den Noro-Virus? Denkt man, Dinge an die man nicht glaubt, existieren nicht? Wie praktisch! Wenn man also nicht an Krebs glaubt, ist man safe. An all die psychischen Krankheiten muss man auch nicht zwangsläufig glauben, denn sie sind eh nicht immer klar ersichtlich.

Oder meinte diese Person, Corona werde nur vorgetäuscht? Da gibt es ja dann so einige zum Teil sehr interessante (bescheuerte, durchgedrehte, psychotische, gestörte, extrem fantasievolle) Geschichten und ich möchte behaupten, jemand mit einem gesunden Menschenverstand und ohne Wahnvorstellungen weiss, dass das alles Kacke ist.

Nach wie vor ist auch die Meinung, Corona sei nicht so schlimm und es würden daran viel weniger Menschen sterben als an einer Grippe, weit verbreitet.

Heute hat mir eine Frau in einer dieses Thema betreffende Facebook-Diskussion geschrieben, dass diese Menschen ja sowieso gestorben wären. Diese Aussage finde ich noch dümmer als andere. Und sehr pietätlos. Ich habe darauf geantwortet, dass man das dann ja auch bei Krebs- oder Unfalltoten sagen kann. Oder bei Suiziden, bei Totgeburten und eigentlich grad immer, wenn jemand stirbt. Denn jeder wird sterben. Irgendwann… Haupsache, es sterben andere. Fremde. Dann kann uns das getrost egal sein? Sie bejahte diese Aussage.

Ich finde auch, wenn jemand 95 ist, dann wird er vermutlich nicht noch weitere zehn Jahre leben. Und dennoch hat er ein Recht auf seine restliche Lebenszeit, es ist nicht egal, wenn er morgen an Corona stirbt. Es ist nie egal. Eigentlich war ich immer der Meinung, dass ein Menschenleben so ziemlich das wertvollste sei, das es gibt, oder? Mir hat jetzt eben noch eine geschrieben, dass dass die „natürliche Selektion“ sei. Die Schwachen nimmts. (Siehe Bild unten)

Da frage ich mich, in welcher Phase der moralischen Entwicklung solche Menschen stecken geblieben sind… Da gehört wohl dann auch die Meinung mit hinein, dass zB behinderte Menschen, die ja irgendwie zu unseren Schwächsten gehören, auch keine Berechtigung zum Leben haben? Und wir ist es mit Aborten? Und Kranken? Ist ja egal, wenn die jetzt an Corona erkranken und evtl sterben, natürliche Selektion. HAUPTSACHE, ES TRIFFT NICHT MICH. Gehts noch dümmer und taktloser? Was ist da falsch gelaufen in der Erziehung? In der Vermittlung von Werten? So ziemlich alles, oder?

Leute, ganz ehrlich. Personen mit einem solchen Menschenbild machen diese Welt zu einer schlechten. Das ist meine Meinung. Genau so ein Mensch hat vor 90 Jahren mal Deutschland angeführt. Ein menschenhassendes Arschloch, dem Menschenleben nichts wert waren. So einer regiert momentan die USA. Ich würde nicht sagen, dass er menschenhassend ist, aber ganz bestimmt ist er gleichgültig ihnen gegenüber. IHM gehts ja gut.

Diese Gleichgültigkeit und diese Abwertung von Menschen… Ich finde das nicht nur unschön, sondern auch erschreckend. Und dann wundert man sich, warum die Welt ist, wie sie ist!

In Clubs gehen, ausgehen, sich seiner Freiheiten nicht berauben lassen wollen, auf Kosten der „Schwächsten“… Ich rege mich über so etwas wirklich sehr auf. Vielleicht weil ich weiss, wie Verluste sich anfühlen, vielleicht aber auch einfach, weil ich kein Misanthrop bin.

  • Diese Facebook-Unterhaltung von heute… Ich habe betr. „natürliche Selektion“ dieser Dame geantwortet, dass also ihrer Meinung nach zB behinderte Menschen auch keine Daseins-Berechtigung hätten usw. Ihre Antwort, siehe Foto (ich werde es unten übersetzen). Danach habe ich nicht mehr zurück geschrieben…:
  • Übersetzung: Klar ist ein Menschenleben wertvoll, aber wenn eine Krankheit kursiert, nimmts halt immer zuerst die Schwachen. 🤷🏼‍♀️ Und nur, weil jemand behindert ist, heisst es nicht, dass er zu den Schwachen gehört oder zu denen, die sterben müssen, aber mit unserem Gesundheitssystem, wo die Leute immer älter werden, braucht es irgendwie auch einen natürlichen „Feind“, der die Population in Zaun (sie meint Zaum) hält… weil erschiessen wie bei den Tieren darf man sie ja nicht und auch wenn man dürfte, würde ich zuerst die Dummen holen. (Also sich selbst…)

    Ich weiss auch nicht, was ich da noch sagen soll… Aber mit dieser Einstellung wird das nichts mit einer besseren Welt und ich hoffe von Herzen, dass diese Frau zu einer winzig kleinen Minderheit gehört.

    6 Antworten zu „Sie wären ja sowieso gestorben…”.

    1. Kaum zu glauben dass so ein Denken möglich ist.
      Da ist sprachlosigkeit die einzige Antwort. Segen dir und liebe Grüße M.M.

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    2. Danke!!!! Du auch!!!!
      Und du hast sehr recht. ❤️

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    3. Avatar von kritikverloren
      kritikverloren

      Hammerharte Geschichte, das mit FB. Es ist tatsächlich unerträglich wie viele Menschen ihren ungefilterten Wahnsinn derzeit ins Netz blasen. Und eben wie Du schreibst, mit einer teils menschenverachtenden Ideologie. Unfassbar.
      Abgesehen davon finde ich es gut, dass es Menschen wie Dich gibt. Die den Mut haben klar Position gegen solche Meinungen anzugehen. Stand ya ground! Weiter so.

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    4. Ich finde es auch anders, wenn eine betroffene Person so etwas sagt. Aber wie fühlen sich wohl Menschen über 65, wenn sie hören, dass es nicht so schlimm ist, wenn man sie trifft? Oder wenn Leute sagen, dass man sie ja nicht töten darf und es gut ist, wenn ein Virus die Schwachen nimmt?

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    5. Hallo, mit Interesse habe ich deinen Beitrag gelesen – auch wenn ich nicht deiner Meinung bin. Ich halte mich in der Corona-Zeit an alle Regeln und nehme diese sehr ernst. Doch ich kann der Frau nicht alles an ihrer Meinung absprechen. Zwar finde ich, dass man die Regeln unbedingt einhalten sollte, aber trotzdem ist es so, dass die Menschen, die vor allen Dingen am Corona-Virus sterben, ältere Menschen sind – und diese wären sowieso früher gestorben, als es junge Menschen wären.
      Deswegen finde ich es erstens nicht so nett, welch harten und harschen Worte du dieser Frau entgegenbringst – auch wenn man sie natürlich dafür kritisieren kann, dass sie anscheinend allzu leichtfertig mit dieser Krise umgeht. Doch, und das ist mein zweiter und auch wichtigster Punkt, dass diese Dame nicht alleine damit ist. Ich kenne viele ältere Menschen, gerade auch in meiner Familie, die selber sagen, dass sie an irgendetwas ja sterben müssen. Diese halten sich zwar in der Öffentlichkeit an die Regeln, aber sie treffen sich auch weiter zur Bridge-Runde mit ihren Freunden.
      Auch wenn wir unsere Mitmenschen schützen sollen, so finde ich doch, dass in der Aussage, dass ältere Menschen vielleicht sowieso bald an etwas gestorben wären, gar nicht so falsch – das muss dann natürlich aber die betroffene Person für sich selber entscheiden.

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    6. Ich halte mich zurück und meide Menschenansammlungen. Ich besuchte allerdings kürzlich nach sieben Wochen Isolation meinen Sohn mit Anhang. Wir blieben im Garten und hielten Abstand. Ab und zu treffe ich eine Freundin zum Spaziergengehen. Auf der einen Seite bin ich dabei etwas unruhig und hoffe, dass die Begegnungen keine Folgen haben werden, auf der anderen Seite tut es mir unheimlich gut, aus der Isolation herauszukommen. Dann halte ich es wieder für eine Weile zu Hause aus und mache das Beste daraus.
      Reisen werde ich auf keinen Fall und die Touristen, die bald in unseren Landkreis strömen, sind mir nicht geheuer. Ich werde die nächsten Wochen wieder vorsichtiger werden. Wobei ich natürlich verstehe, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt werden will. Ich weiß auch nicht, wie man alles unter einen Hut bringen kann.

      In meiner Familie gibt es eine Person, die ähnliche Ansichten vertritt, wie Du es aus Deiner Facebook-Diskussion schilderst. Ich fiel aus allen Wolken, weil ich gar nicht wusste, woher sie ihre Argumente hatte. Nun bin ich schlauer und erschüttert. Ich hoffe, diese Person wird irgendwann einmal wieder für mich zu erreichen sein. Im Moment ist sie abgetaucht in ihrem Weltbild und schließt sich den neu gefundenen Mitstreitern an. Sie ist davon überzeugt, sie würde die Wahrheit kennen und wir eben nicht, weil wir verblendet sind und nicht bemerken würden, dass wir in einer Diktatur leben und die Pandemie sei vorbei und wir würden sie diffamieren, weil wir ihr nicht glauben. Außerdem seien wir gehorsame Untertanen ohne Verstand und setzen uns freiwillig einen Maulkorb auf (Gesichtsschutz). Darüber zu diskutieren macht für mich keinen Sinn. Und ich bin ziemlich erschrocken …..Liebe Grüße! Regine

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