
Manchmal überlege ich mir, welches das schlimmste Gefühl von allen ist und ich glaube, es ist die Trauer.
Andere Gefühle können auch schlimm sein, ich weiss. Und ganz bestimmt hat jeder Mensch sein ganz persönliches Gefühl, welches ihn zu Tode triggert. Ich glaube, bei ganz vielen ist es die Angst bzw irgendeine Art von Angst, denn es gibt ja unzählige.
Bei mir ist es die Trauer. Und vielleicht ist auch sie mehr oder minder entfernt sogar mit der Angst verwandt.
Die Trauer ist so ein richtiges Scheiss-Gefühl. Wenn sie da ist, ist sie so hoffnungslos und so tief in uns drin. Ich würde behaupten, dass die Trauer das intensivste Gefühl ist, neben der Liebe vielleicht. Sie wird uns zugefügt und bleibt dann erstmal für eine ganze Weile. Eiskalt und schwer sitzt sie wie so’n Klumpen auf unserem Herzen. So dass unser Herz richtig weh tut und uns das Atmen schwer fällt.
Ich verstehe die Trauer nicht so gut. Ich weiss, warum sie da ist und ich weiss auch, was es benötigt, dass sie irgendwann weniger wird. Aber verstehen tu ich sie nicht. Sie ist doch eigentlich im Kopf, wie alles andere auch und doch fühle ich sie mehr im Herzen als im Kopf.
Trauer ist auch etwas anderes als Traurigkeit.
Ich glaube, Traurigkeit ist auch schlimm. Sie wird von Ereignissen ausgelöst und verschwindet dann aber auch zeitnah wieder, womit sich die Trauer hingegen ziemlich viel Zeit lässt. Sie wird ausgelöst durch die Erfahrung von existenziellen Verlusten. Also von Verlusten, die unser Leben so sehr beeinflussen oder durcheinander werfen, dass es uns aus den Socken haut. Trauer kann ganz tiefe Traurigkeit auslösen, Ängste und Vermissen bzw. wohl meistens gleich alle drei zusammen. Und zwar in einer Intensivität, die kaum auszuhalten ist, besonders am Anfang.
Trauer verbinde ich vor allem mit Todesfällen. Mit einem Verlust, wie oben geschrieben. Damit, dass ein Mensch oder ein Wesen, das wir lieben oder zumindest mögen, mit dem wir auf irgendeine Art verbunden sind und das ein fester Bestandteil unseres Lebens ist, aus dem Leben gerissen wird. Aus seinem und damit auch aus unserem. Das hinterlässt eine Lücke, die sich mit Schmerz fühlt.
Es ist schwer auszuhalten, wenn jemand fehlt.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass jedesmal, wenn ein nahestehendes Wesen stirbt, ein Teil der Trauer, die man in der Vergangenheit erlebt und eigentlich als bewältigt betrachtet hat, sich auch wieder ein wenig aufwölbt und zusammen mit den ganz frischen Gefühlen nochmals auflebt. Aufbebt.
Es gibt da eigentlich nicht so wirklich vieles, was hilft. Wenn man jemanden kennt, der trauert, dann würde man ihm am liebsten all den Schmerz abnehmen und ihn wieder glücklich sehen. So geht es mir zumindest. Ich finde auch das schwer auszuhalten. Zu sehen und in etwa zu wissen, welchen Schmerz der andere gerade fühlt… Aber es nützt ja nichts. Jeder muss da für sich selber einfach durch. Mit Hilfe oder ohne. Hilfe unterstützt, nimmt aber nichts weg, wie das halt immer so ist.
Ich habe diese Woche weinend zu der Tierärztin gesagt, die mein Meerschweinchen erlöst hat, dass ich damit einfach nicht so gut umgehen kann. Weil ich mich geschämt habe, dass ich weine.
Beim nach Hause fahren kam ich an einem Haus vorbei von dem ich wusste, dass da vor kurzem eine Frau gestorben ist, die ihren Mann und (erwachsene) Kinder hinterlassen hat. Und ich dachte an einen Bekannten, der vor nicht zu langer Zeit sehr schnell gestorben ist und noch relativ kleine Kinder hinterlassen hat. Und ich habe mich fast geschämt für meine Tränen um ein Tier, als ich an diese Menschen gedacht habe.
Aber ich weiss, das ist nicht vergleichbar. Einen Menschen zu verlieren ist total etwas anderes. Ich habe es auch erlebt.
Man muss es nicht miteinander vergleichen. Es sind unterschiedliche Situationen.
Und dennoch war ich am Dienstag sehr aufgelöst und bin auch heute noch traurig. Nur schon der Entscheid des Erlösens und dann mit dem Tierchen auf dem Arm zu warten, bis es gestorben ist… Ich finde das wirklich sehr schlimm. Und er fehlt. Uns und ganz offensichtlich auch der kleinen Meerschweinchen-Bande. Dass sie trauern, das finde ich auch nicht ganz einfach. Da kann man irgendwie nichts machen, die verstehen das alles doch gar nicht, das ist einfach so. Es braucht Zeit.
Später am Dienstagabend, als ich zuhause weiter weinte, habe ich mir weitere Gedanken darüber gemacht und ich bin zum Entschluss gekommen, dass ich damit total normal umgehe, denn trauern ist eine sehr persönliche Sache und jeder tut es auf seine Art und Weise. Da gibt es nichts zu werten oder zu beurteilen. Und weinen ist kein Zeichen, dass man damit nicht umgehen kann, sondern es ist einfach ein Zeichen dafür, dass man traurig ist. Dass das Herz so voll und so schwer ist.
Ein paar Tage später nun glaube ich, dass ich eigentlich sogar recht gut damit umgehen kann. Ich kann mich meiner Trauer stellen. Wie in jeder anderen Situation bin ich der Meinung, ich muss da einfach durch, ausweichen ist kontraproduktiv. Ich würde das auch jedem raten. In jeder Lebenslage.
Trauern ist ein Gefühl in unserer unendlich weiten Gefühlspalette und es gehört dazu wie jedes andere. Es ist nicht das Ziel, es irgendwann nicht mehr zu spüren, wenn jemand stirbt, um dann sagen zu können, man könne damit gut umgehen. Man kann damit nicht besser umgehen, wenn man nicht weint oder ausweicht und seine Trauer andern nicht zeigt.
Es ist das Ziel, es zulassen zu dürfen. Das finde ich zumindest.
Schlussendlich sind wir alle irgendwann in unserem Leben Trauernde. Und das nicht nur einmal im Leben.
Ich wünsche euch allen viel Kraft dabei, wenn sie bei euch ist, die Trauer. Es braucht viel Zeit, aber sie wird sich wieder zurück ziehen und schöne Erinnerungen und Licht hinterlassen, irgendwann. Sie hat gutes Sitzleder, es braucht Geduld.
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