Lichter


Heute ist ein grauer Tag im November. Ende November schon bald. Manche mögen sagen, dass der November so ist. Nur so. Ich würde mal behaupten, dass der November der Montag unter den Monaten ist. Eigentlich nicht ganz zurecht, wie ich finde. Wir hatten dieses Jahr extrem viele heisse Tage und wirklich viel Sonne. Auch im Oktober und November. Sooooo schlecht war es bis jetzt wirklich nicht.

Und trotzdem ist es abends früh dunkel. Ich kann es schon verstehen, dass es Menschen gibt, die das nicht mögen. Wenn es draussen dunkel ist, ist man irgendwie von der Umwelt abgeschnitten, so kommt es einem jedenfalls fast vor. Vorhänge werden zugezogen, damit nicht jeder hinein sieht und schon ist man allein in seinen vier Wänden.
Ich finde das nicht schlimm. Eigentlich ganz im Gegenteil. Ich mache es uns gemütlich. Mit Licht zum Beispiel, egal ob elektrisch oder Kerzenlicht. Oder mit beidem. Ich mag das auch ganz gern, muss ich sagen. Aber ich bin auch nicht allein und mir geht es gut. Vielleicht ist es das, was den Unterschied macht.

Und doch bin auch ich in dieser Zeit nachdenklicher. Ich denke mehr nach und das tu ich auch sonst schon ziemlich viel. Das ist ja nichts negatives. Aber ich denke da schon auch öfter an Dinge, die mich traurig machen. Über meine Verluste zum Beispiel.
Am 13. November ist der Todestag von meinem Paps. Es war vor 12 Jahren, als er am 13. November meinen Anruf nicht beantwortete und ich intuitiv wusste, dass er nicht mehr lebt. So habe ich ihn dann tot in seinem Bett gefunden. Erlöst vom Speiseröhrenkrebs. Für mich zu früh und zu plötzlich.
Ich habe schon ein paar Mal davon geschrieben, ich werde mich nicht wiederholen. Und trotzdem. Wenn ich an meinen Vater denke, denke ich natürlich im gleichen Atemzug auch an meine Mama. Sie ist schon so lange tot, dass ich mich kaum an sie erinnern kann. 21 Jahre. Unterdessen wäre sie eine ältere Frau, die Grossmutter meines Kindes. Ich kann mir das nicht vorstellen, wie das wäre. Wie sie 21 Jahre älter wäre, wie sie aussehen würde und all das. Es ist zu lange her. Und vielleicht ist auch all das tief in meinem Herzen irgendwo versteckt, denn ich wollte dass Gras drüber wächst und ich weiterleben kann, ohne dass die Trauer und die Fragen über den Sinn des Todes mich zu sehr beschäftigen würden.

Verluste sind ja nicht nur Todesfälle. Es gibt auch viele andere und ich habe keinen Bock darauf jetzt einzugehen. Im November hört man langsam auf, nachgewachsenes Gras zu mähen. Der Winter wird kommen und wird eine dicke Schneeschicht drauf legen und das ist gut so.

Für mich war in diesem Jahr der Tod meines Meerschweinchens ein grosser Verlust, so lächerlich es klingen mag, nachdem ich vom Tod meiner Eltern erzählt habe, nachdem meine Ehe letztes Jahr bachab gegangen ist. Das sind Schicksalsschläge, die ich verarbeitet habe. Ich bin jedesmal durch tiefe Krisen gegangen, war mir jedesmal nicht sicher, ob und wie ich es überstehen soll.
Aber ich habe. Und ich habe all das hinter mich gelassen. Mehr oder weniger jedenfalls. Natürlich ist all das immer wieder mal ein Thema. Ich denke nach wie vor recht viel an meine Eltern und ich vermisse beide ziemlich oft, besonders auch seit dem ich mit dem Kind nun allein bin. Und dann meine Ehe nicht funktioniert hat, darüber bin ich vermutlich noch nicht hinweg. Ich habe mich vom Mann gelöst und alles einigermassen verarbeitet. Aber verstehen tu ich nicht. Und dass ich das Konstruktion „Familie“ und damit ganz viel Sicherheit, auf verschiedenen Ebenen, verloren habe, das tut mir immer noch weh. Das vermisse ich immer noch. Aber so einfach ist es dann doch auch nicht. Ich möchte es zurück. Und doch nicht. Nicht mit diesem Mann. Und mit einem anderen Mann kann ich es mir auch nicht vorstellen. Und aus diesem Grund wird es wohl gut sein, so wie es ist.

Und eben dieses Meerschweinchen. Luna.
Man möge mich jetzt auslachen, aber sie war mir eine wichtige Begleiterin in der Trennungszeit. In einer Zeit, in der ich gefühlt alles was ich hatte, verloren habe. Ich kann es mir auch nicht erklären, aber Luna hat mich gespürt. Ihr Fell hat meine Tränen aufgesogen und sie hat mir ganz viel zurück gegeben. Vor allen Dingen wohl Wärme und das Gefühl, mit meinen Tränen nicht allein zu sein.
Diesen Frühling ist sie dann gestorben, das war ganz schrecklich für mich.

Das Kind und ich haben für Luna eine Blume auf dem Balkon und ein bunt bemaltes Glas, in dem jeden Abend ein Licht für Luna und für all die andern im Himmel brennt. Für die, die durch die Dunkelheit hindurch sehen sollen, wo wir sind, damit sie wissen dass wir sie nicht vergessen haben.

 

Luna ❤ 

5 Antworten zu „Lichter”.

  1. Ein Tier gehört irgendwann einfach zur Familie, tut mir sehr leid. Viele Grüße, Annette

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  2. Dass so ein kleines Stück Leben so viel Kraft in einer schweren Lebensphase gibt, hat mich sehr berührt.

    Dir alles Gute und viel Kraft,
    Roald

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  3. Jeder Abschied fällt schwer. Wenn Menschen, Tiere, ja sogar „Dinge“ nicht mehr in unseren Leben sind, dann ist Trauer da und es gibt nichts, was daran lächerlich ist. Man mag es kaum glauben, aber ich trauere immer noch meinem Fahrrad nach, welches ich im Ausland zurücklassen musste.
    Herzliche Grüße
    Serap

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  4. Da ist nichts, wofür Du auszulachen wärst.

    Deine Gedanken, Dein Erinnern haben mich vielmehr sehr berührt. Ich glaube, Du bist eine ziemlich tapfere junge Frau. Wer empfindsam ist, muss stärker sein als andere für so viel Tapferkeut. Du bist empfindsam, und ich habe großen Respekt davor, wie Du mit dem Vergangenen, mit den Verlusten umgehst.

    Komm nur so gut als möglich durch den Rest des Montagsmonats – ich möchte Dir gern ein virtuelles Licht hier lassen, etwas glitzernden Sternenstaub für Dich aus meinem Orbit.

    Viele liebe Grüße an Dich! 🌟✨🍁🍂

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