Wir leben inmitten von Menschen. Familie, Freunde, Nachbarn, Bekannte, Fremde. Längst nicht alle, die uns kennen oder zu kennen glauben, kennen wir auch. Und umgekehrt. Wir „kennen“ Leute, die uns nicht kennen. Wir haben Dinge von ihnen gehört, Dinge von denen sie nicht wissen, dass wir sie wissen. Es wird geredet. Und mit dem Gerede verändern sich Dinge, die ursprünglich anders waren.
Wir Leben inmitten unter Menschen, von denen uns nur wenige näher kennen. Kennen dürfen. Denn es geht um unsere Privatsphäre. Es gibt Dinge, die geht niemanden etwas an. Oder zumindest nicht jeden. Diese Privatsphäre gilt es zu wahren und auch zu schützen und bei anderen Menschen zu akzeptieren.
Jetzt stell dir mal vor, in deiner Hauswand ist ein grosses Loch, von dem du aber nichts weisst und du wirst beobachtet. Dort guckt jemand rein, du weisst nicht wer. Du weisst noch nicht mal, dass es jemand tut. Du lebst dein Leben wie immer, fühlst dich in deinen privaten Räumen sicher. Ungezwungen. Unbeobachtet. Läufst mit verwuschelten Haaren rum, vielleicht auch mal nackt oder halt so, wie du dich andern Leuten nicht zeigen würdest. Du singst. Du tanzt. Du telefonierst mit deiner Freundin und erzählst ihr von deinen Geheimnissen. Und jemand sieht das. Jemand hört das. Ohne sich zu erkennen zu geben. Dieser Jemand sieht durch dieses Loch einen kleinen Ausschnitt deines Alltags und denkt, er kenne dich und dein Leben ganz genau. Er sieht einen Bruchteil und doch viiiiiiiel zu viel.
Und stell dir vor, er erzählt das dann weiter… und weiter… und weiter… und weiter… bis es irgendwann wieder bei dir landet. Du weisst, jemand hat durch dieses Loch geschaut. Irgendjemand aus deinem Umfeld. Und du weisst nicht, wer, denn es könnte jeder gewesen sein…
Stell dir vor, du schreibst ein Tagebuch. Erlebnisse, Gedanken, Geschichten, Spinnereien. Einige wahr, einige erfunden. Es ist nicht für andere Augen gedacht. Aber jemand liest ohne dein Wissen alles mit, guckt dir unentwegt über deine Schulter. Du weisst, wie deine Gedanken einzuordnen sind, lachst innerlich darüber oder weinst. Du kannst Realität, Fantasie und Träumereien voneinander unterscheiden. Die heimliche Mitleserin sieht die Worte, aber nicht deine Gedanken dahinter. Und sie misst sie mit ihren eigenen Massstäben und Vorstellungen, sie urteilt.
Und stell dir vor, sie erzählt es weiter… und weiter… und weiter… bis es irgendwann wieder bei dir landet. Du weisst, jemand hat dir über die Schultern geschaut, die ganze Zeit. Irgendjemand aus deinem Umfeld. Und du weisst nicht wer, denn es könnte jeder gewesen sein.
Stell dir vor, du bist unterwegs und musst dort dringend eine Toilette aufsuchen. Und genau das tust du. Und du weisst nicht, dass die Wände von aussen durchsichtig sind, von innen jedoch nicht…
Irgendwann erfährst du davon, irgendwann viel später. Du weisst nicht, wer dich auf der Kloschüssel sitzend gesehen hat. Du hast das Gefühl, alle benehmen sich komisch, schauen dich komisch an. Alle könnten es gesehen haben, aber auch niemand. Und doch fühlst du dich in deiner Privatsphäre verletzt, unsicher und misstrauisch.
Wir finden uns in beiden Rollen. Mal sind wir beobachtend, freiwillig oder unfreiwillig. Aus Neugier, Interesse oder weil wir nicht wegschauen können. Oder wollen. Habe ich das Loch in der Wand selbst gebohrt, war es schon da oder habe ich es gesehen und es zugestopft?
Und manchmal werden wir beobachtet, meistens wohl unwissentlich. Vielleicht spüren wir es, fühlen uns beobachtet oder unwohl. Es ist aber nur so ein Gefühl.
Dieses „weiter… und weiter… und weiter“-Erzählen, wie ich es oben genannt habe, kann für die eine Person sehr unschön sein. Es lohnt sich also, bevor wir es tun, genau zu überlegen, wofür es gut sein wird, wenn wir es tun. Denn ich gehe davon aus, dass niemand absichtlich jemandem schaden oder jemanden verletzen möchte…
Es sind nur Gedanken und ich lasse sie einfach so stehen.
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