
Die Ereignisse der letzten Monate haben mich mich nachdenken lassen. Vor allem über Menschen und auch vor allen Dingen über Menschen in Berufen mit viel Verantwortung für andere Menschen. Darüber gibt es ganz viel zu erzählen und leider nicht nur Gutes, zumindest in diesem Fall. Ganz bestimmt gibt es auch ganz viele andere Beispiele, so ist es ja nicht.
Die jüngsten Erfahrungen haben mich verändert. Mir ist sehr bewusst geworden, welche Wertvorstellungen mir wichtig sind. In meiner Familie, aber auch bei andern Menschen. Ich habe Wünsche, wie Menschen miteinander umgehen sollen und mir ist das wirklich wichtig. Ich glaube, gerade in diesem Bereich entgleist uns ganz viel, schon seit einer Weile. Aber ich weiss schon, dass das persönliche Meinungen sind und andere das ganz anders sehen. Jeder Mensch sieht die Welt aus seinem Blickwinkel und hat aus genau diesem Grund seine Prinzipien. Das ist okay so wie es ist. Und dennoch darf jede:r für sich selbst entscheiden, womit er sich im Leben auseinandersetzen möchte. Und mit wem.
Ich möchte mich so gut reflektieren können, dass ich wertendes Denken weitgehend verhindern kann. Ich weiss aber auch, dass das nicht geht. Reduzieren geht aber. Und sich über das Werten bewusst zu werden und zu sein, das geht auch. Ich glaube, das ist schon sehr viel mehr als andere tun.
Ich bin mir auch sehr bewusst, dass ich gerade in diesem Bereich der Wertvorstellungen und des Verhaltens von Menschen einander gegenüber sehr wertend bin. Ausnahmsweise möchte ich das aber genau bei diesen Themen auch tatsächlich sein, denn ich würde gern meinen kleinen Teil dazu beitragen, dass sich die Welt wenigstens in dieser Hinsicht ein bisschen verändert. Ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber ich weiss auch, dass es viele Menschen gibt, die das möchten und dann sind das viele Tropfen. Jeder davon ist wichtig.
Mir ist sehr bewusst geworden, auf welche Art von Menschen ich wirklich total stehe. Welche ich mega mag und halt auch, welche für mich sehr bereichernd sind im Umgang, in Gesprächen und einfach weil sie sind wie sie sind, ohne gross etwas zu machen. Ich bin mir aber auch sehr darüber bewusst geworden, was ich für mich nicht will und was mir nicht gut tun wird auf Dauer.
So fällt mir immer wieder auf, wie unendlich geil ich es finde, wenn jemand einfach sagt, dass er:sie etwas nicht versteht oder etwas falsch oder anders als vorgesehen gemacht hat. Einfach so. Zugeben, dass ein Fehler passiert ist. Das finde ich eine wahnsinnig tolle Eigenschaft, die von viel Charakterstärke und Rückgrat zeugt. Und auch das sind Eigenschaften, die einfach sooo wertvoll sind.
Ich glaube, besonders im Beruf braucht es schon Mut und Überwindung, Fehler zuzugeben und dementsprechend umso mehr Rückgrat. Es braucht neben all dem aber auch ein Umfeld, in dem man sich sicher genug fühlt, um das zu tun.
Ich glaube aber auch, ganz besonders im Beruf ist diese Eigenschaft extrem notwendig. Es ist extrem notwendig, fehlerhaft sein zu dürfen. Fehlerhaft zu sein. Bzw. fehlerhaft ist ja eh jeder. Zugeben muss man es halt noch können.
Es gibt gewisse Berufsgattungen, die sozusagen unantastbar sind. Diese Erfahrung habe ich zB mit der Institution Schule gemacht. In sozialalen Institutionen zB sind Ombudsstellen für Angestellte und Klientel fest installierte Instanzen. Dabei geht es um Schutz, um Unterstützung wenn man mit den anwesenden Fachpersonen nicht mehr weiter kommt, es geht aber auch ganz stark darum, qualitativ gute Arbeit zu leisten. In sozialen Berufen ist reflektieren eine ganz wichtige Stärke, die das Personal mitbringen soll. Es herrscht eine Kultur, in der man einander Rückmeldungen geben kann und auch soll, die dann selbstverständlich überprüft werden, um Lösungen zu finden. Rückmeldungen gibt man im besten Fall, egal ob positive oder kritische, ohne Angst, Nachteile deswegen davonzutragen. In der Institution Schule gibt es so etwas nicht und so sind Machtmissbräuche fast vorprogrammiert bzw. ich glaube, damit sowas nicht passiert, braucht es in der Leitung sehr charakterstarke und resiliente Menschen.
Und nun schliesst sich eigentlich auch der Kreis wieder und ich komme noch einmal zu den Wertvorstellungen. Wie wertvoll wäre es, wenn Kinder nicht nur benotet würden, sondern lernen, dass fehlerhaft zu sein normal ist und sein darf? Wie wertvoll wäre es, wenn sie dazulernen dürften? Wenn sie lernen dürften sich Problemen zu stellen, auch unangenehmen und sie dann zu lösen? Wie wertvoll wäre es, wenn Kindern lernen dürften, ihr Verhalten zu reflektieren und wenn sie neue Verhaltensmuster kennenlernen dürften?
Ich würde mir wünschen, dass vom vorgegaukelten Perfektionismus weggekommen und der Tatsache, dass Menschen einfach imperfekt sind, in die Augen geschaut wird. Tief. Und dass das halt einfach okay ist so, denn ändern können wir das nicht.
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