
Vielleicht wäre alles viel schöner, wenn unsere Urururururahnen das Licht nicht erfunden hätten.
Wenn es abends eindunkeln würde, gingen wir alle nach Hause, denn nachts wäre es zu dunkel, um noch irgendwo zu Fuss oder mit dem Auto unterwegs zu sein, geschweige denn mit dem Zug oder dem Flugzeug. Wenn wir trotzdem noch aus irgendwelchen Gründen draussen wären, hätten wir Fackeln und Laternen dabei.
Weil keine Lichter aus Häusern, Strassenlampen und Leuchtreklamen mehr die Dunkelheit stören würde, sähen wir den Mond und die Sterne bei klarem Himmel viel deutlicher. Es gibt auf dieser Welt Städte, die so gross und so hell sind, dass man dort die Sterne gar nie sehen kann. Es ist also nie dunkel genug wegen künstlich erzeugtem Licht.
Wir wären dann aber eigentlich ganz gern zuhause, würden dort eine oder viele Kerzen anzünden und miteinander reden oder so gut es geht im Kerzenlicht lesen oder eine andere Arbeit verrichten.
Oder einfach ins Bett gehen.
Tatsächlich gibt es den Ausdruck „Lichtverschmutzung“, wovon ich bis zum heutigen Tag noch nie bewusst gehört habe. Ich finde dieses Thema ziemlich interessant. Offenbar gibt es in der Schweiz seit 1996 keinen Ort mehr, der nicht lichtverschmutzt ist. Das hat mich erstaunt und weil ich es nicht recht glauben konnte, habe ich mich näher darüber informiert.
Ich habe gelesen, dass in einer weltweit angelegten Studie festgestellt werden konnte, dass Licht Auswirkungen an Orte bis zu 196 Kilometer vom Ursprung entfernt hat. Zürich beleuchtet Genf, Bern die Bündner Berge. Es gibt also kaum noch grössere unbelichtete Flächen (siehe auch https://advances.sciencemag.org/content/2/6/e1600377).
Nachts die Sterne nicht sehen zu können, ist zwar schade, aber tjanun, es gibt vermutlich schlimmeres. Wenn es nachts nicht dunkel wird, hat das Auswirkungen auf Mensch, Tier und Natur.
Beim Menschen beeiträchtigt das 24/7 helle Licht vor allem die Schlafqualität. Für einen tiefen, erholsamen Schlaf braucht der Körper die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Und der Körper wiederum benötigt eine gewisse Dunkelheit, um genug Melatonin ausschütten zu können.
In den grossen Schweizer Städten und Agglomerationen ist es nachts mindestens so hell, wie wenn acht Vollmonde gleichzeitig leuchten würden. Ohne lichtundurchlässige Vorhänge und Fensterläden oder Markisen hätten die Menschen dort keine Chance auf eine dunkle Nacht.
Für Tiere kann die Lichtverschmutzung gefährliche, gar tödliche Folgen haben. Zum Beispiel auf Zugvögel wird sich Kunstlicht sehr störend aus. Jährlich ziehen Milliarden von Vögel nachts von Europa nach Afrika und im Frühling dann wieder zurück. Sie orientieren sich unter anderem anhand der Sterne. Von den unendlich vielen Lichtquellen über den grossen Städten werden sie angezogen und von ihrem Weg abgelenkt. So kann es dazu führen, dass verwirrte Zugvögel nachts auf beleuchtete Gebäude prallen oder diese sinnlos umkreisen und sterben.
Auch nachtaktive Insekten werden vom künstlichen Licht angezogen und schwirren drumherum. Wir kennen das sehr gut von Mücken, die abends in unsere hellen Wohnungen fliegen, wenn wir die Fenster offen lassen.
Dadurch vernachlässigen sie lebensnotwendige Tätigkeiten wie die Futtersuche oder die Paarung und das Eier legen. Nicht selten verenden sie in der Lichtquelle, zB einer Strassenlaterne, die eine Falle für sie ist, verbrennen oder sterben an Erschöpfung.
Man geht davon aus, dass pro Sommernacht in der Schweiz etwa 10 Millionen Insekten sterben.
Interessantes Thema, finde ich. Für uns Menschen bedeutet dieses Licht in der Nacht wohl vor allem Sicherheit und dient als Orienterungshilfe. Wir bewegen uns eigentlich mit unserer Nachtaktivität aus unserem natürlichen Rhythmus hinaus, denn wir wurden von der Natur nicht mit Sinnen ausgestattet, die uns das ermöglichen. Mit künstlichem Licht machen wir die Nacht zum Tag und uns zu Nachtschwärmern. Natürlich ist es für viele auch Mittel zum Zweck, denn es ist ja nicht nur unnötig, nachts wach zu sein. Es gibt Menschen, die in der Nacht arbeiten und dafür Licht brauchen.
Und doch ist es ganz bestimmt too much.
Ich habe mir überlegt, ob Geschäfte und Leuchtreklamen wirklich auch die ganze Nacht hell leuchten müssen und eigentlich finde ich nein. Der zweite Gedanke war dann aber, dass zB Leuchtreklamen ja ganz genau zu diesem Zweck gemacht wurden und die Beleuchtung in Schaufenstern wohl auch, denn tagsüber braucht es sie ja gar nicht. Sie wollen nachts gesehen werden von den vielen Menschen, die noch unterwegs sind.
So komme ich zu meinem ersten Gedanken zurück und finde, dass ganz bestimmt ganz schön viele dieser Lichter eingespart werden könnten. Um die Tiere zu schützen, wäre ja eigentlich Grund genug.
Ich glaube aber auch, dass wir Menschen davon profitieren würden. Wir kämen viel mehr zur Ruhe und Besinnung, wenn es abends und nachts etwas stiller und dunkler wäre und wir nicht immer das Gefühl hätten, unterwegs sein zu müssen. Wir könnten besser abschalten, ruhiger schlafen.
Es ist die Rastlosigkeit, die uns antreibt. Der Wunsch, etwas erleben zu wollen, frei zu sein und zwar rund um die Uhr. Das Angebot ist da, es will genutzt werden und wir folgen ihm. Wir lassen uns ungern einschränken. Nicht von andern, und schon gar nicht von der Natur, der wir uns so sehr überlegen fühlen.
Wir fühlen uns schnell eingeschränkt und uns unseren Freiheiten beraubt, sind es uns nicht mehr gewohnt, auf uns und auf andere zu achten.
Wir hasten von Kontakt zu Kontakt, möchten nicht allein sein. Es ist einfach, sich selbst und andern auszuweichen. Bei sich ist man nur ungern,
Und doch wäre das so wichtig. Wieviele Achtsamkeitsseminare und Therapien so wohl eingespart werden könnten?
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