
Gestern habe ich ein Zitat von Simone de Beauvoir gelesen:
“Niemand ist den Frauen gegenüber arroganter, aggressiver oder verächtlicher als ein in seiner Männlichkeit verunsicherter Mann.“
Simone Beauvoir hat von 1908 bis 1986 in Paris gelebt und war Schriftstellerin, Philosophin und Feministin. Aus welchem Jahr oder zu welchem Anlass sie diesen Satz gesagt hat, weiss ich nicht, aber jedenfalls war das vielen vor Jahrzehnten.
Ich finde Frauen, die sich für Frauenrechte und Gleichstellung einsetzen, mutig und genau in diesem Moment, wo ich am Schreiben genau dieser Worte bin, merke ich, wie falsch sich das anfühlt. Man sollte nicht mutig sein müssen, um sich für etwas (oder sich) stark zu machen, sich für etwas einzusetzen. Jeder sollte das tun können ohne Angst vor irgendwas oder irgendwem haben zu müssen. Dieser Zustand sagt ja auch schon einiges aus. Aber es geht mir ja jetzt nicht darum, deswegen lasse ich das jetzt so stehen.
Wie gesagt, finde ich Frauen die sich mit vernünftigen, überlegten und guten Argumenten und Gesten einsetzen, mutig. Im Jahr 2021. Und wie mutig waren Frauen, die das vor 30, 50 oder noch mehr Jahren getan haben? Bewundernswert.
Ich finde, dass das Zitat von Madame Beauvoir zweifelsohne genau ins Schwarze trifft. Es ist einfach ausschliesslich auf negatives Verhalten von Männern gegenüber Frauen bezogen.
Man kann das aber auch wirklich ganz gut auf alle Menschen bzw. deren Verhalten beziehen.
Wie Menschen sich verhalten, finde ich ja immer wieder ganz interessant bzw. noch interessanter würde ich es finden zu wissen, WARUM sie sich so verhalten. Nicht nur gegenüber einander, sondern ganz allgemein.
Wieviel schöner und ganz bestimmt auch entspannter wäre unser Leben – im Kleinen und im Grossen – wenn wir freundlich(er) und wertschätzend(er) miteinander umgehen würden… Und doch tun wir es nicht oder könnten es ganz bestimmt noch viel öfter tun. Warum tun wir es nicht?
Und nicht mal nur andern gegenüber, sondern auch ganz stark uns selbst gegenüber. Wertschätzend zu sich selber sein… vielleicht wäre genau das der Dünger, der die Wurzeln in unserer Seele so stark machen würde, dass daraus eine stabile und starke Persönlichkeit wachsen könnte. Eine, die sich nicht durch einen im Beruf erfolgreicheren Kollegen, eine schlankere Frau oder jemanden, der etwas besitzt, was wir auch gern hätten, knicken lassen würde…
Ich denke, niemand ist gemeiner zu andern Menschen als ein unsicherer, unzufriedener und neidischer Mensch. Andere runter machen, um sich selber ein wenig höher zu stellen – eine altbekannte, leider allzu bewährte Methode des Zurschaustellens der eigenen Fähigkeiten, Leistungen, Persönlichkeit und Schönheit. (Das tun ja nur Menschen, die es offenbar nötig haben – und dieser Satz ist viel weniger wertend gemeint als er klingt. Unsicherheiten haben immer einen Grund und wenn wir ehrlich sind, wurden sie ja meistens durch andere Menschen in uns ausgelöst. Jahrelang. Sich dessen bzw. deren bewusst zu werden, das ist gar nicht mal so einfach.)
Schlussendlich ist das aber nur Fake, wir versuchen, uns und andern etwas vorzumachen, denn kluge Menschen durchschauen dieses Verhalten, diese Aussagen. Leider sind aber nicht alle so klug oder glauben – warum auch immer – solchen Aussagen blind und lassen sich zum Teil auch falsch informieren oder manipulieren von Menschen, die ihre eigenen Ziele erreichen möchten.
Ich finde, dass niemand attraktiver ist als ein Mensch, der sich selbst und andere so akzeptiert wie er ist bzw. sie sind. Ein Mensch, der die positiven Seiten einer anderen Person neidlos anerkennt und schätzt und auch die Schwächen oder deren Unzulänglichkeiten annimmt ohne sich dauernd masslos daran zu stören, sich darauf zu konzentrieren und sie unnötig in den Vordergrund zu stellen. Ein Mensch, der andere stärkt und fördert, ohne Angst vor Konkurrenz oder der Befürchtung, es könnten daraus Nachteile für sich selbst entstehen.
Und ein Mensch, der auch genauso wohlwollend mit sich selbst umgeht, der mit sich soweit im Reinen ist, sich akzeptiert und okay findet, auch wenn nicht alles dem gesellschaftlichen Bild der Norm bzw. des Perfektionismus entspricht. Sich mit oder für jemanden freuen kann, wenn es bei ihm gerade gut läuft und bei uns selbst halt vielleicht grad nicht so richtig. Das ist eine sehr schöne Eigenschaft. Andern einfach ihr Glück gönnen. Nicht zuletzt im Wissen, dass es mir nicht besser gehen würde, wenn es dieser anderen Person jetzt grad schlechter ginge. Kompliziert, ich weiss. Aber ihr wisst was ich meine.
Und doch gehört es auch zum Menschen, sich hin und wieder unsicher zu fühlen, sich und sein Leben mit andern zu vergleichen und in diesem Vergleich nicht immer gut abzuschneiden und dann vielleicht manchmal ein wenig unreflektioniert zu denken, sprechen oder handeln. Vermutlich machen wir diese Vergleichen ja auch ganz besonders dann, wenn uns etwas fehlt oder wir mit irgendwas unzufrieden sind. Wenn nicht, hätten wir keinen Grund dazu.
Es ist ja nicht nur einfach und wenn ich darüber schreibe, klingt das zwar alles wunderbar und als ob ich das voll im Griff hätte, aber nein, das habe ich nicht.
Aber immer öfter.
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