Schutzlos


Irgendwie leben wir in Zeiten, in denen wir vielem schutzlos ausgeliefert sind, werden oder uns selber ausliefern. Umwelteinflüsse, Situationen, Druck, andern Menschen.

Menschen, die sich und / oder andere (be)schützen möchten, werden gern mal belächelt oder als (über)ängstlich oder auch als egoistisch bezeichnet. Grenzen zu setzen, das ist irgendwie aus der Mode gekommen. Ich finde das eigentlich sehr falsch und auch schade, denn zum einen finde ich, dass sich schützen zu wollen nicht immer nur mit Angst zusammen hängt, sondern wohl auch ganz viel mit Vernunft und vor allem auch mit Fürsorge. Und zum andern finde ich es auch total okay, Angst zu haben. Natürlich soll sie einen im alltäglichen Leben nicht zu sehr hindern bzw behindern und damit das Leben sogar verhindern. Aber dennoch ist die Angst in gewissen Situationen durchaus eine sehr wichtige Funktion, die wir Menschen besitzen. Sie warnt uns vor Gefahren und davor, uns denen schutzlos oder unnötig auszuliefern. Oder um es weniger dramatisch auszudrücken, sie versucht Situationen, mit denen wir (momentan) nicht umgehen möchten oder könnten, zu verhindern.

Nur schlecht ist das ja nicht unbedingt. Dasselbe Gefühl, das uns vor gewissen Situationen bewahrt, schränkt uns jedoch auch ein. Im Normalfall fühlen wir das selbst nicht, aber andere tun es eventuell. Das Angst- oder Risikoempfinden ist von Mensch zu Mensch verschieden. Was der eine als zu riskant einstuft, findet der andere easy machbar. Das sind dann unsere ganz persönlichen Grenzen und auch die haben ihren Ursprung, ihre Begründung irgendwo tief in uns.
Ich finde, dass man sich eigentlich so ziemlich gar nie über die Grenzen, Bedenken oder Ängste anderer lustig machen soll bzw. seine eigenen über andere stellen kann. Einzig und allein wir selbst bestimmen unsere eigenen Grenzen, definieren sie und verteidigen sie wenn nötig auch. Das ist ganz allein unsere eigene Verantwortung. Und natürlich auch, die Grenzen, die andere uns aufzeigen, zu akzeptieren, egal ob die für uns Sinn machen oder nicht.

Vor ganz vielen Dingen, die uns gefährlich erscheinen oder verletzen könnten, können wir uns schützen. Aber nicht vor allen. Und vor allen Dingen nicht vor dem Menschen. Ich finde immer wieder, dass wir Menschen andern Menschen und ihren Verletzungen und Beurteilungen oft ziemlich schutzlos ausgeliefert sind. Oder andere unserem Urteil aussetzen.
Mir passiert es ja schon zwischendurch, dass ich mich mit einem Verhalten einer Person konfrontiert sehe, das mich irritiert, weil ich nicht weiss, wie ich es einordnen soll. Meine wichtigste Erkenntnis daraus ist, dass ich mir über sowas lieber nicht zuviele (am liebsten gar keine) Gedanken mache, sondern wenn es mir wichtig ist, direkt nachfrage oder mir sehr bewusst bin, dass das Verhalten einer Person immer viel mehr mit ihr selbst als mit mir zu tun hat. Das hilft.

Was auch noch hilft, ist ein gesundes Selbstvertrauen, Achtung und Liebe sich selbst gegenüber und eine gute Fähigkeit, sich abgrenzen zu können. Dieses Scheiss-Egal-Gefühl, das doch manchmal ganz wunderbar ist. Ich glaube, je älter man wird, desto einfacher wird das. Man hat schon so einiges erlebt und nichts hat einen so sehr aus den Latschen geschleudert, dass man sie sich nicht wieder angezogen und weiter gegangen wäre und das ist irgendwie gut zu wissen. Mit all den Jahren auf dem Buckel steht man mit beiden Füssen stabil auf dem Boden, auch wenn zwischendurch mal der Kopf in den Wolken vor sich hin träumt.

Ich finde, jede Person sollte es sich sich zuliebe leisten, selbstsicher zu sein. Jede*r hat absolut das Recht darauf und es gibt keinen Grund, es nicht zu sein. So.

2 Antworten zu „Schutzlos”.

  1. Genau! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir wenig nützt, wenn ich mich dazu zwingen will, selbstsicher zu sein, wenn ich nicht weiß, woher die Unsicherheit kommt. Je mehr ich mich an die Ursachen heran taste, umso selbstsicherer werde ich. Und damit kann ich mich immer besser von den anderen abgrenzen. Die sind so und ich bin eben anders. Und seit kurzem denke ich sogar „Und das ist auch gut so!“. Es war ein reiner Hochgenuss, Deinen Text zu lesen!💝

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  2. Da könnt` ich mich drin suhlen, besonders in den allerletzten Sätzen!-
    Gruß von Sonja

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