Von Dingen, die ich nicht verstehen mag und von Wünschen


Ich wünsche dir…

Ich denke, wir wünschen einander sehr oft genau das, was wir uns in unserer Vorstellung an dieser Stelle wünschen würden. Und wenn auch diese Wünsche vielleicht nicht immer passend oder die sind, die sich der andere wünscht, dann sind es doch immer Wünsche von Herzen und eigentlich das Beste, was wir uns in dieser Situation vorstellen können.

Vielleicht hat diese Art von Wünschen ganz viel mit unseren Fähigkeiten, uns einzufühlen und dann jemanden zu verstehen gemeinsam. Dabei verwechseln wir manchmal, dass die andere Person etwas eventuell ganz anders erlebt als wir selbst. Aber das ist schwierig, denn alles was uns zur Verfügung steht, sind unsere Empathie, unsere Wahrnehmung und unsere Vorstellungskraft, welche aus unserer eigenen Geschichte und aus Gesehenem und Erlebtem entstehen.

Versuchen wir nicht unser ganzes Leben lang Dinge zu verstehen? Manchmal erfolgreicher, manchmal weniger.
Warum? Wie? Wer? Was? Weshalb? Worüber? Wo?
Fragen über Fragen und es hört nie auf. Das ist das Interessante daran und das ist das Schwierige daran.

Ich mag es, möglichst alles (oder viel) zu verstehen. Natürlich ist das unmöglich und unerreichbar, denn das würde zum Ende des Universums und zurück bedeuten. Und vielleicht ist das grosse, unendliche Universum aber dennoch fast einfacher zu verstehen als das, was ganz nah bei uns ist oder in uns. Nämlich uns selbst, einander oder halt Dinge, die jeden Tag passieren. Das Leben.

Das Leben und alles was so dazu gehört, ist irgendwie immer wieder unergründlich, unverständlich und vielschichtig. Und wenn ich sage das Leben, dann meine ich auch vor allen Dingen den Menschen. Ich verstehe so oft nicht, warum Menschen handeln wie sie handeln. Warum sie denken wie sie denken und warum sie sind wie sie sind. Mich interessiert das aber, denn es gibt für alles seine Gründe. Ich merke aber in der letzten Zeit immer mehr, dass ich mich trotz eigentlichem Interesse abgrenzen und zurück ziehen muss, weil es anstrengend ist. Weil es einfach manchmal wahnsinnig viel Energie verpufft. Und nicht zuletzt auch, weil ich auch Gopfertami nicht immer alles verstehen muss.

Und das Beste daran ist, dass das total okay ist. Schlussendlich ist niemand darauf angewiesen, dass ich ihn oder sie verstehe so wie auch ich nicht aufs Verständnis anderer angewiesen bin. Obwohl man sich eingestehen muss, dass es schon manchmal (oft) recht gut tut, wenn man verstanden wird.
Ich glaube, wir verwechseln dieses Verständnis manchmal aber auch mit Wohlwollen oder mit Akzeptanz. Denn ich kann jemandem auch wohlwollend begegnen, wissend dass er in der Situation xy steckt und die zB für ihn schwierig ist, ohne dass ich es verstehe. Oder kenne, weil ich es auch erlebt hätte. Und unter wohlwollend verstehe ich, dass ich nicht sage „ach, das ist doch gar nicht so schlimm“, „tu doch nicht so!“, „das war bei mir auch so (aber doch ganz anders)“ oder „es gibt noch schlimmeres“ oder so einen Furz.
Wenn etwas für jemanden schlimm ist, dann ist das so. Punkt. Das anzuerkennen ist grundsätzlich schon genug. Mehr brauchts eigentlich gar nicht.

Etwas, was ich sehr schlecht verstehe und es immer wieder versuche(n muss), ist das Schicksal (oder wie nennt man es?). Schicksalsschläge und solche Geschehnisse, die alles umkrempeln und zwar eher nicht zum Guten.
Ich habe schon öfter darüber geschrieben. Ich habe immer gedacht (oder mich damit getröstet?), dass Schicksalsschläge zu jedem Leben gehören. Es ist normal, dass schlimme Dinge passieren. Diese Ansicht habe ich etwas revidiert. Ich glaube schon, dass sie zum Leben gehören. Aber nicht zu jedem. Ich glaube, es gibt auch Menschen, denen bleiben solche Ereignisse weitgehend erspart. Gratulation. Ich gönne es dir, ganz ehrlich.

Ich würde es jedem gönnen und ich hätte es auch mir gegönnt. Und dennoch tröstet man sich immer wieder damit, dass das Überstehen solcher Dinge einen stärker macht. Ich weiss nicht, ob das stimmt. Ich glaube, man meint, es mache einen stärker, weil man nämlich ganz schön stark sein muss, um nicht zu zerbrechen. Und solange man es sich einredet, ist man es auch.
Schlussendlich bin ich aber sicher, dass ganz viel von dieser Stärke einfach Funktionieren ist. Weil man auch das muss. Man hat eine gewisse Zeit zum Trauern, zum Darüber hinweg kommen oder was es auch immer braucht, und dann gehts wieder normal weiter. Es ist ganz schwierig, sich mehr zu nehmen. Oder länger. Ich glaube, das geht fast nicht. Und dieser Zustand ist unserer Gesellschaft verschuldet, denn da gibt es Normen und Vorgaben.
Dann nimmt man einen Teil von alldem mit. Jeden Tag. Auf jedem Schritt, den man geht. Und ja, man ist tatsächlich stark, denn der Rucksack ist schwer mit all diesen emotionalen Überresten darin, vergraben unter allerlei andern Dingen, damit das Zeugs nicht doch noch plötzlich zum Vorschein kommt.
Es kommt aber*. Irgendwann. Es ist nur eine Frage der Zeit, denn all diesen Ballast mitzutragen – plus die Bewältigung des Alltags, der Gegenwart mit all seinen Hochs und neuen Tiefs – braucht viel Energie.
*Und es ist okay.

Mich (uns?) fordert das Schicksal immer wieder heraus. Und zwar ganzheitlich. Aber nicht nur meines, sondern auch das von andern. Ich finde, es gibt Dinge auf dieser Welt, die sind so abgrundtief schlimm. Es gibt viele solche Dinge auf der ganzen Welt. Manche hören wir, manche nicht. Manche werden von Menschen verursacht, manche von irgendwelchen höheren Mächten, was auch immer.
Ertrinkende Flüchtlinge, Kriege, Terroranschläge, Verbrechen, Unfälle, Katastrophen… Die Welt ist keine heile.

Und nun komme ich zu den Wünschen zurück, aus aktuellem Anlass.
Ich habe heute Nachmittag jemandem, den ich seit unserer Kindheit kenne, einen Brief geschrieben. Eigentlich war es ein Abschiedsbrief, wenn man ehrlich sein will. Er hat vor kurzem eine sehr schlimme Diagnose bekommen. Eine, die wohl keine Hoffnung auf eine Verbesserung oder auf ein Überleben zulässt, soviel ich weiss.
Mir war es ein Anliegen, ihm noch etwas zu sagen oder schreiben. Vielleicht das Letzte, was möglich ist, ich weiss es nicht. Und das habe ich getan. Und bevor ich angefangen habe, habe ich mich lange gefragt, was man denn einer Person in dieser Situation sagt. Oder wünscht. Und dabei nicht unbeabsichtigt etwas Unangemessenes, etwas Taktloses, etwas Dummes sagt.

Ich für mich finde es schlussendlich vor allem wichtig, nicht auszuweichen, sondern diesen Menschen zu begegnen und von Herzen zu reagieren. Zu sagen oder auch zu tun, was gerade zuvorderst ist, was gerade möglich ist. Unter Umständen hilft genau das jemandem, sein Schicksal gerade jetzt in diesem Moment besser tragen zu können.

Ich wünsche mir und euch, Menschen zu sein, die das können. Nein, können tut das jeder. Ich wünsche mir und euch, Menschen zu sein, die sich das (zu)trauen, denn das braucht Mut. Mut vor der Reaktion des andern und auch Mut vor den eigenen Gefühlen und deren möglichem Ausbruch.
Und ich wünsche euch und mir, ebenfalls immer wieder im richtigen Zeitpunkt auch genau solchen Menschen zu begegnen, denn das ist so wertvoll.

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