Die, die am lautesten…



Denn die einen sind im Dunkeln
und die andern sind im Licht
und man siehet die im Lichte
die im Dunkeln sieht man nicht.

Bertolt Brecht, Dreigroschenoper


Dieses Zitat von Bertold Brecht kennen bestimmt sehr viele und mir kommt es momentan immer mal wieder in den Sinn, einfach weniger aufs Sehen bezogen, sondern mehr aufs Hören.

Denn die einen sind die Leisen
und die andern, die sind laut
und man höret die, die schreien
die Leisen sind die, auf die man nicht schaut.

Irgendwie so.


Es ist ja oft so, dass man glaubt, der der am lautesten oder am meisten spricht, der hätte auch recht. Manchmal ist es ja vielleicht so, manchmal aber vielleicht auch nicht. Ich glaube, wir Menschen neigen dazu, uns von solchen Menschen beeindrucken und in den Bann ziehen zu lassen. Was schwarz auf weiss irgendwo geschrieben steht oder was uns in einem Video mitgeteilt wird, das glauben wir, wenn es uns in den Kram passt oder wenn es bequemer ist oder wann?
Ich glaube, grad im Moment wird viel Unsinn verbreitet. Und damit möchte ich keineswegs sagen, dass alles, was der Meinung unserer Regierung oder den Gesundheitsbehörden widerspricht, Unsinn ist. Ich bin mir ganz sicher, dass es verschiedene Sichtweisen gibt, verschiedene Ideen und verschiedene Wege zum Ziel. Ich glaube aber auch, dass das Ziel zum Teil nicht dasselbe ist und dass auch ziemlich viele Menschen einfach auf ihre Kappe reden. Einfach so, wie es ihnen am bequemsten ist, so wie es ihnen einen Nutzen bringt.

Und ich bin mir wirklich ganz sicher, dass es extremistisch orientierte Menschen gibt, die die momentan auf ganz vielen verschiedenen Ebenen schwierig auszuhaltende Situation sehr geschickt für sich und ihre Zwecke versuchen zu nutzen. Und das ganz bestimmt auch ganz oft mit Erfolg, weil es viele Menschen gibt, die nicht hinterfragen, die populistische Aussagen nicht erkennen und die ebensolche Aussagen nicht überprüfen. Das ist nämlich auch tatsächlich nicht einfach, handelt es sich doch um komplexe medizinische oder wissenschaftliche Themen.
Also ist es einfacher, eine dem Volk nahe Erklärung zu glauben, die die komplizierten und nicht recht verstandenen Aussagen der entsprechenden Experten als falsch bezeichnen und damit auch die darauf aufbauenden Massnahmen, die uns einschränken und existenzielle Folgen für viele von uns haben und uns sowieso nach einem Jahr zuviel werden.

Und was kann man dagegen tun? Keine Ahnung… ich versuche, meine (so wie ich persönlich finde) vernünftige Meinung nicht immer nur für mich zu behalten und mich auf meinen gesunden Menschenverstand zu besinnen. Aber wenn ich etwas gelernt habe in dieser Pandemie, dann ist es das, dass JEDER von sich denkt, er besitze einen gesunden Menschenverstand… Denn der ist es wohl, auf dem wir schlussendlich alles aufbauen und auf den wir vertrauen. Deswegen ist es wohl überlebensnotwendig, dass jeder auf sich selbst vertraut kann, egal wie verworren seine Gedanken auch sein mögen. Das ist trotzdem wichtig fürs seelische Gleichgewicht. Denn wem soll man denn vertrauen, wenn man seinen eigenen Wahrnehmungen und Gedanken nicht mehr glauben kann? Schwierig…

Und so wird der sogenannte gesunde Menschenverstand zur subjektiven Wahrnehmung und hilft wohl der Gesamtheit relativ wenig, dafür einem selbst umso mehr. Denn er hilft, auf dem Boden zu bleiben, zu reflektieren und sich selbst dazu zu befähigen, sich verschiedene Meinungen anzuhören und sich daraus dann selbst eine zu machen – wie auch immer die dann aussehen mag

Das einzige, was wohl einfach sicher ist ist, dass jeder einen Menschenverstand hat. Ob gesund oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich hoffe, dass die Vernunft und das Gesunde gewinnen wird, auf jeder Ebene, denn vieles was man überall so hört, finde ich äusserst bedenklich und auch beängstigend. Viel besorgniserregender als das Virus oder die wirtschaftliche Situation.

Ich habe momentan mehr denn je das Gefühl, dass ganz viel eigener Frust, eigene Themen in diesen Corona-Brei geworfen und damit vermischt werden. Dass ganz viele sich enervieren und engagieren, um sich selbst von sich und seinen eigenen Themen abzulenken.

Ich habe lange überlegt, was ich hier nun als Schlusswort oder Schluss-Satz schreiben soll und ich hatte keine guten Einfälle. Vermutlich brauchts kein Schlusswort, weil es noch nicht das Ende ist…




2 Antworten zu „Die, die am lautesten…”.

  1. Ich mag deinen Text sehr. Schreiben ist das einzige, was much aktuell bei Laune hält. Mich verwirrt und verunsichert die Gegenwart so sehr, dass ich mich nicht mehr außer Haus traue. Gleichzeitig fühlt es sich aber so an, als ob mein Leben an mir vorbeizieht. Ich habe die Eventbranche geliebt, vor allem das Unterwegs sein und Menschen beobachten dürfen. Nun lebe ich mittellos, alle Ersparnisse aufgebraucht, und fühle mich davon genötigt einem Staat zu dienen und mich wie ein Bettler zu fühlen, weil die königliche Verordnung uns bewusst macht, das im Leben Willkür und Aufmerksamkeit die Devisen sind. Geld und Jobs sind vergänglich. Die eigene Gesundheit steht im Fokus und wir alle müssen ein Teil unseres Egos opfern um Bescheidenheit zum Maß aller Dinge zu machen. Es macht mich traurig, dass die Deutschen das Leben aufgeben. In meinen Augen ist jeder Tag ein Fest und sollte genossen werden. Wenn man jetzt aber alle Strukturen zerschlägt die Begegnungsstätte waren und gerade jene Menschen in die Massenarbeitslosigkeit zwingt, die in der Lage waren stets ein Lächeln auf den Lippen zu haben, dann leben wir in einer grauen Gesellschaft und man muss ja nur mal auf die Straßen gehen. Trostlosigkeit steht allen ins Gesicht geschrieben, wenn man lächelt wird man komisch angeschaut. Man gilt als verrückt wenn man sich gerne täglich gut und elegant Kleidet um Raus zu gehen. Man erntet düstere Blicke wenn man sich als Mann schminkt. Und oh mein Gott sind viele Menschen anmaßend, wenn man High Heels trägt und gerne mal laut und ausgelassen ist. Menschen sind unfassbar leicht einzuschüchtern, man muss nur mal etwas Farbe tragen. Ich kann das ewige schwarz weiss denken dieser Gesellschaft nicht mehr ertragen. Ich hoffe nur, dass alle die sich jetzt zum ersten Mal wie im Gefängnis fühlen, verstehen wie es Menschen geht, deren Körper ein Gefängnis ist, deren Gedanken ein Gefängnis ist, dass sie verstehen, dass wir in unserer Konsumwut die Erde zum Gefängnis machen, dass Freiheit einen Wert hat und Manieren die einzige Maske ist, die man tragen sollte. Höflich sein, Abstand halten, sich nicht in Fremde Angelegenheiten einmischen, außer man wird um Hilfe gebeten. Jeder Lebt sein Leben nach besten Wissen und Gewissen. Jeder hat ein einzigartiges Lebensgefühl. Der Mensch bleibt Mensch in seiner Vielfalt.

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  2. Wer schreit, hat unrecht. Uralter Spruch, der gern überschrien wird. Der Klügere gibt nach (schon Karl Valentin antwortete auf die in ihrer Rolle dies einfordernde Liesl Karstadt: „I gib ja net nach!“). Aber auch: wer flüstert, der lügt.
    Am Ende halten wir es am Besten mit den alten, chinesischen Metallurgen, was ist Silber, was ist Gold!
    Jeder sage, was er wirklich zu sagen hat. Aber bitte in moderatem Ton. Vernehmlich und klar. Man sollte Dezibelmeßgeräte anbringen.
    Ach ja: der Hahn muß krähen. Er hat ja einen ganzen Hühnerhaufen! Wobei zu beachten ist, dass sein Job sich nicht in seinem Vergnügen erschöpft, sondern er sehr wohl auch ein sogar recht effektiver Beschützer dieses Weibervolkes ist. Tiere, die tendentiell in Einzelpaaren leben, Gänse etwa, sind weniger geschlechtsspezifisch laut. Da röhrt kein Platzhirsch.
    Bau ich jetzt nicht mehr aus, laß ich einfach so stehn…

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