Alleinerziehend und in der Opferrolle?


Diese Woche habe ich in einem Forum für Alleinerziehende eine Umfrage gesehen, bei der es um die finanzielle Situation von Alleinerziehenden geht. Darunter hat eine Frau geschrieben, dass Alleinerziehende sich ja gern in die Opferrolle begeben und auch gern andern die Schuld an ihrer Situation geben würden. Darüber wurde dann rege diskutiert.

Ich war mit der Bezeichnung „Opferrolle“ nicht einverstanden und eigentlich nicht nur das, sondern mich hat das sogar sehr gestört. Dafür gibt es verschiedene Gründe, verschiedene Gedanken.
Zum einen finde ich, dass zB nicht jeder, der sich in einer sogenannten Opferrolle befindet, auch selbst dort hinein manöveriert hat. Viel öfter wird das wohl von Drittpersonen gemacht. Zum andern stört mich der Begriff „Opfer“, weil es dann ja auch einen Schuldigen oder einen Täter geben muss.
Ausserdem ist das ganze Opfer-Gerede sowieso viel zu wertend, um nicht zu sagen, zu ABwertend.

Bestimmt gibt es Alleinerziehende, die sich als Opfer sehen. Vielleicht zu unrecht, vielleicht zu recht. Wem steht es zu, dies zu beurteilen?
Die meisten sehen sich aber nicht als Opfer, da bin ich mir ganz sicher.

Die finanzielle Situation ist eine von vielen, die man als alleinerziehende Person schwierig finden kann. Und natürlich ist sie nicht so unwichtig, wie man gerne behaupten würde. Finanzieller Wohlstand befreit von allerlei Sorgen, das ist nun mal so.

Vermutlich arbeitet ein Grossteil der alleinerziehenden Eltern Teilzeit, denn auch die berufliche Situation ist nur die eine Seite der Medaille. Das Familienleben mit all seinen Pflichten – von Kinderbetreuung über Haushalt, Soziales, Organisatorisches, Termine usw – ist die andere. Dafür benötigt man auch Zeit. Es sind ja längst nicht alle Mütter, die nicht alleinerziehend sind, berufstätig. Und dann wohl darum, weil sie sich um Familie und Wohnung oder Haus und allem was da noch dazu gehört kümmern, während der andere Elternteil Geld verdienen geht.
Es ist ja nicht so, dass sich diese Frauen zuhause langweilen und Däumchen drehen. Hausfrau und Mutter zu sein, das ist ein Full Time Job, seien wir ehrlich.
Genau dasselbe machen alleinerziehende Mütter auch. Oder Väter. Die sind auch immer mitgemeint, denn natürlich gibt es sie auch, wenn auch etwas seltener. Alleinerziehende Mütter haben nicht weniger zu tun zu Hause als andere Mütter. Vielleicht sogar mehr, fehlt ihnen doch ein Partner, der mithilft.

Aufgrund der Aufgaben, die zuhause erledigt sein wollen – und ich muss sagen, ich habe Kinder da jetzt auch hinein gepackt, obwohl Kinder keine Sache sind. Kinder brauchen die Eltern um sich herum. Sie brauchen Aufsicht, Betreuung, Erziehung, Aufmerksamkeit. Als Eltern hat man eine sehr wichtige Aufgabe oder viele wichtige Aufgaben und die kann man nicht wahrnehmen, ohne Zeit zusammen zu verbringen. Auch das übernehmen Mütter, wenn ihre Männer bei der Arbeit sind. Sie setzen sich mit ihren Kindern auseinander, streiten, lehren sie Dinge, trösten, umarmen, erziehen, helfen bei den Hausaufgaben usw.
Alleinerziehende Mütter tun das auch. Der andere Elternteil übernimmt diese Aufgaben sporadisch, wenn es gut läuft regelmässig, wenn nicht, dann nicht.

Und dann also die berufliche Situation, auf der die finanzielle Situation ja aufbaut.
In den meisten Fällen waren Alleinerziehende ja nicht seit immer alleinerziehend, sondern sie waren mit einem Mann zusammen, hatten mit ihm Kinder usw. In den allermeisten Fällen sind diese Mütter dann nach dem ersten Kind zuhause geblieben, um eben die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Ganz oder sie haben nach ein paar Monaten oder Jahren wieder angefangen zu arbeiten, Teilzeit. Die Betreuung der Kinder muss in dieser Zeit ja immer auch gewährleistet sein. Manchmal können Grosseltern einspringen oder in weniger ländlichen Gebieten als hier vielleicht kitas.
Der Vater der Kinder hat in dieser Zeit immer gearbeitet und hat auch die Möglichkeit, sich weiterzubilden.

Wenn es dann irgendwann zu einer Trennung kommt, gibt es mindestens zwei verschiedene Szenarien.
Es kann sein, dass die Frau jahre- oder sogar jahrzehnte lang nicht mehr berufstätig war und dementsprechend natürlich auch nicht die Gelegenheit hatte, Weiterbildungen zu besuchen.
Es kann sein, dass die Frau in den letzten Jahren oder Jahrzehnten Teilzeit in ihrem Beruf gearbeitet hat.
Ob sie sich weiterbilden konnte, kommt darauf an, ob sie dabei von ihren Mann oder Umfeld dabei unterstützt wurde. Zum einen finanziell und zum andern zeitmässig bzw ob sie in dieser Zeit jemandem die Kinder abgeben konnte. Nicht immer ist das der Fall.
Meistens ist es ja so, dass die Zeit in der eine Frau arbeitet, zuhause einfach fehlt bzw. die Hausarbeit liegen bleibt und von ihr vor- oder nachgeholt wird.

Egal, ob und wieviel diese Frau in den letzten Jahren berufstätig war, sie ist nun in der Situation, dass SIE ab jetzt alleinerziehend und alleinverdienend ist. Sie muss also genug Geld verdienen, um sich und ihre Kinder ernähren zu können mit allem drum und dran… Versicherungen, Wohnungsmiete, Gesundheitskosten, Kleidung, Hobbies, Essen, Steuern, Freizeit usw.
Zu dieser Situation – die Familie allein ernähren zu müssen oder dürfen – kommt noch die Situation, zuhause ja auch allein zu sein mit allem, was anfällt.
Also heisst es eigentlich, möglichst viel Geld verdienen und dabei möglichst wenig Zeit investieren, denn die Kinder und all das andere braucht einen ja auch.

Im am Anfang genannten Forum wurden Frauen, die finanziell nicht rosig da stehen als Alleinerziehende ja wie gesagt „Opfer“ genannt. Selbsternannte Opfer, um es auf den Punkt zu bringen. Es wurde gesagt, dass jede selber Schuld ist, wenn sie nicht genug verdient für ihr Leben und das ihrer Familie. Dann sei sie halt einfach schlecht ausgebildet oder sei nicht bereit, an ihrer Situation etwas zu ändern.

Diesen Gedanken finde ich dermassen dumm bzw. nicht zu Ende gedacht (oberflächlich), muss ich ehrlich sagen…
Alleinerziehende kommen mit einem Teilzeitpensum für die ganze Familie auf. Ich arbeite zB 60% und das reicht mir für alles. Muss reichen. Rosig ist das nicht und wir müssen uns einschränken, das ist klar. Es geht aber.
Ich kann momentan noch nicht mehr als 60% von zuhause weg sein. Irgendwann wird das dann möglich sein.
Wenn man sich das aber so überlegt. Welcher Familienvater oder welches Elternpaar kommt denn mit 60% Arbeit und Lohn durch, mit Familie usw? Es gibt bestimmt Männer, die 80% arbeiten, deren Frau aber noch etwas dazu verdient, aber gross weniger wohl nicht.

Ich bin ja jedenfalls ziemlich stolz drauf bzw ich finde nicht, dass man sich dafür schämen muss. Ich bin sehr froh, dass ich eine gute Ausbildung habe und Gott sei Dank immer berufstätig war. Und einen guten Job habe. Das ermöglicht mir nämlich nun ein selbständiges Leben ohne von jemandem abhängig zu sein und ohne Sozialgelder zu beziehen. Das ist oft ein mega Stress und ich bin meistens nur müde ohne Ende. Aber trotzdem, es ist nun mal einfach so wie es ist.
Ich verdiene gut. Aber für mein Kind arbeite ich Teilzeit, denn auch das ist eine wichtige Aufgabe. Jedenfalls haben wir mit meinem Teilzeitpensum eigentlich so ziemlich alles, was man braucht. Da muss man sich nicht als Opfer oder minderwertig fühlen, auch wenn man sich nicht immer alles leisten kann, finde ich.

Ich weiss, dass das nicht allen andern alleinerziehenden Frauen möglich ist. Es ist schwer, nach vielen Jahren wieder Fuss zu fassen im Berufsleben und nicht jeder Job zahlt gleich gut.

Es geht hier auch gar nicht mal um mich. Es geht doch auch in diesem Thema wieder um die Gleichberechtigung und ganz besonders um die Chancengleichheit.
Wenn man davon ausgeht, dass ja etwa jede dritte Ehe geschieden wird, dann kann man auch davon ausgehen, dass sich keine Frau darauf verlassen kann, niemals in diese Situation zu kommen….

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