Am Gras ziehen, damit es wächst? Den Haarfön zum Himmel richten, damit die Regenwolken weg gehen? An der Uhr drehen, damit die Zeit schneller vergeht?
Käme uns nicht im Traum in den Sinn. Es gibt Dinge, die sich nicht oder schlecht forcieren, beschleunigen lassen. Auch beim Menschen. Eine Entwicklung kann meiner Meinung nach unterstützt werden, aber sie findet trotzdem dann statt, wenn der entsprechende Mensch dazu bereit ist. Dann, wenn die Zeit reif ist.
So ist es vermutlich auch mit Lebenssituationen. Die müssen durchlebt werden, das ist Teil des Prozesses. Natürlich wäre es schön, nicht jede Phase durchleben zu müssen. Natürlich wäre es schön, wenn ganz schnell alles wieder gut wäre. Aber so einfach ist das nicht. Es braucht Zeit.
Je nach Situation geht am Anfang nicht viel. Der Schock ist gross, die Trauer ebenfalls. Erst nach einer Weile kann man beginnen, sich neu zu orientieren, zu organisieren. Und dann können die ersten Schritte gemacht werden! Endlich geht es vorwärts, das ist ein Erfolg. Mit diesen ersten Schritten fängt auch die Hoffnung wieder an zu keimen. Alles wird gut. Irgendwann.
Bis dahin muss noch ganz vieles heilen, auch das braucht Zeit. Und vieles muss neu organisiert werden. Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, wie wir wissen. Sowas braucht gute Nerven, ganz schön viel Kraft und Geduld. Bei mir und bei meinem Umfeld.
Als Unterstützung kann man sich professionelle Hilfe holen, was ich sehr befürworte. Diese Personen begleiten uns durch einen anfangs unübersichtlichen Prozess, helfen uns alles zu ordnen, stützen und stärken uns, bis alles einfacher wird. Das Problem in Luft auflösen kann diese helfende Person aber auch nicht. Da muss man schlussendlich einfach selbst durch. Und es darf sein, dass man für eine Weile nicht so gut wie normal funktioniert. Es darf sein, dass man Angst hat und nicht mehr weiter weiss. Es darf sein, dass man reagiert auf die Veränderung. Und es darf sein, dass der Heilungs- und Neuorientierungsprozess die dafür notwendige Zeit beansprucht. Das finde ich zumindest. Weil ich es normal finde.
Und ich weiss, dass nicht alle so denken. Leider. Vielen ist es wohler, nicht mit Situationen konfrontiert zu werden. Ich glaube, das muss man auch akzeptieren, denn sie werden ihre Gründe haben. Wer weiss, was sie selbst in ihrem Rucksack mit sich herum schleppen?
Es ist irgendwie egal, worum es geht, mir ist Respekt immer wichtig. Und Wohlwollen. Eine Person, die sich zB nach einer Trennung neu orientieren, ihr Leben auf neuen Wegen aufgleisen muss, die muss nicht behandelt werden als wüsste sie nicht, worum es geht. Sie muss nicht bevormundet und ihr muss nicht gesagt werden, was sie jetzt alles tun und wie sie sich fühlen sollte. Sie muss nicht als schwach angesehen werden, denn das ist sie nicht. Sie ist nur traurig, weil ihr bisheriges Leben in Scherben vor ihr liegt. Und sie darf das. Sie darf traurig sein. Wer wäre das nicht? Traurigkeit bedeutet nicht Schwäche, denn diese Person ist so stark wie nie.
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