Das Mädchen


Es war einmal ein Mädchen…

Dieses Mädchen hatte ein paar beste Freundinnen. Irgendwann mal war ihm das irgendwie dann aber nicht mehr genug und es wollte mehr. Sie fand andere Kinder cooler und genau zu denen wollte es auch gehören.
Cool sein in diesem Alter bedeutet für viele, hässlich zu andern zu sein, laut zu sein und Dinge zu machen, die andere noch nicht dürfen. Auffallen halt. Bei den Jungs gut anzukommen, Beachtung zu finden.
Das Mädchen hat dann angefangen eine ihrer Freundinnen zu plagen. Die, bei der sie merkte, dass sie sich nicht gross wehren würde. Nur ein bisschen auslachen und ausgrenzen. So, dass die andern das gar nicht so richtig merkten, aber doch so, dass es ihm die Bühne gab, auf der es sich profilieren konnte. Es funktionierte ganz gut. Es gab viele Kinder, die mitlachten und mitzogen. Das Mädchen machte die Erfahrung, mit seinem Verhalten erfolgreich zu sein und machte natürlich weiter.
Was das mit dem ausgegrenzten Kind machte, das ist eine andere, eine etwas traurie Geschichte. Hier aber geht es um das andere Kind.

Dieses Mädchen hatte guten Erfolg mit ihrem Vorhaben, zu den Coolen zu gehören. Das andere Kind hat tatsächlich noch versucht, sich zu wehren, aber niemand hat ihm geglaubt und es war sowieso einfacher für die Erwachsenen, da nicht hinzuschauen.

Und so stand dem Mädchen eigentlich nichts mehr im Weg.
Mit so einem Mädchen möchten dann plötzlich viele befreundet sein und viele Jungs finden es toll. Zum einen, weil sie sie cool finden, denn mit ihr fällt man auf. Mit ihr zusammen wird man beachtet. Sie macht alles mit, das macht Spass! Zum andern aber auch, weil man lieber mitzieht, statt selber irgendwann plötzlich von ihr geplagt zu werden. Kinder wissen, dass das manchmal schnell passieren kann, also schützen sie sich und tanzen nach der Pfeife desjenigen Kindes, das in dieser Beziehung das grösste Potential hat. Selbstschutz.

Das Mädchen findet andere Kinder eigentlich aber nur so lange interessant, wie sie das machen, was sie möchte. Freundschaften sind eher oberflächlich. Es geht nicht um einander, sondern um Aufmerksamkeit. Es ist unzuverlässig und sprunghaft. Es ist gern da, wo die Musik spielt und lässt dafür immer wieder seine Freundinnen sitzen. So verliert es die gewonnenen Freunde nach einer Weile immer wieder. Einige davon hinterlässt es enttäuscht.
Es gewinnt aber auch immer wieder neue, denn es ist einfach, oberflächliche Spass-Bekanntschaften einzugehen. So hat es immer wieder neue Freundinnen und auch Freunde, es gibt immer wieder Jungs, die in sie verknallt sind. Das ist toll, denn wenn Jungs sie toll finden, dann findet sie sich selbst auch toll. Und wenn Jungs, sie toll finden, finden auch andere Mädchen sie automatisch toll. Sie hoffen, von diesem „Ruhm“ etwas abzubekommen, wenn sie mit ihr zusammen sind.

Klingt alles super.
Und doch tun mir Mädchen wie dieses Leid, denn es wird vielleicht nie lernen, wie man tiefere Freundschaften oder Beziehungen eingeht. Solche, bei denen es nicht um Profit und Aufmerksamkeit geht, sondern um Zuneigung und Liebe. Vielleicht wird es sich sein Leben lang immer wieder eine Bühne bauen müssen auf Kosten anderer, um sich gut zu fühlen. Vielleicht wird es immer darauf angewiesen sein, von Männern toll gefunden zu werden, um sich selbst gut zu fühlen. Es wird sich vielleicht vor allem über Männer definieren. Es wird zuviel von sich geben, um zuwenig dafür zu bekommen. Es wird sich nicht für das lieben, was es ist, sondern für das, was es gerne sein würde.

Und so lange es Mädchen gibt, die so erzogen werden, wird es Männer geben, die Frauen gegen Unterwürfigkeit und Sex die Chance geben können, angesehen und erfolgreich zB im Beruf zu werden. Das ist ein Kreis, der sich schliessen wird und das ist nicht richtig, aber schlussendlich ist es logisch. Es ist irgendwie wie Angebot und Nachfrage und der Preis, der dafür bezahlt wird, ist teuer.

Und es hat damit angefangen, dass ein kleines Mädchen zu den Coolen gehören wollte und ihm niemand erklärt hat, dass man nicht zu den Coolen gehört, wenn man andere piesackt…

* gilt auch für Jungs

2 Antworten zu „Das Mädchen”.

  1. Was für ein guter, guter Text zu diesem Thema!

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.