Klarheit


Klarheit ist ein Zustand, den ich persönlich sehr schätze. Ich geh zum Beispiel lieber ins Wasser, wenn ich weiss, wo der Boden ist, auch wenn ich ihn nicht mehr erreichen kann mit meinen Füssen, und einigermassen sehe, was sich unter mir noch so befindet. Ich mag Nebel, aber zB keineswegs beim Autofahren. Ich mag es, wenn die Sicht klar ist und ich genau sehe, was in den nächsten Metern auf mich zukommt.
Und nicht nur im Wasser oder im Strassenverkehr, sondern auch in andern Situationen des Lebens schätze ich Klarheit. Es ist einfacher, heraus zu finden, wie vorzugehen ist, wenn man eine Situation möglichst genau kennt. Und es ist einfacher, sich mit etwas abzufinden, wenn man ganz genau weiss, was es ist. Alles, was konfus, schwammig und unklar ist, das ist verwirrend und kann verunsichernd auf uns wirken und Angst machen. Da reagiert ja dann jeder auch wieder unterschiedlich.

Leider liegt es manchmal in der Natur der Dinge, dass die Sache für eine Weile nicht durchschaubar oder ganz genau analysierbar ist. Den Hauptgrund dafür sehe ich darin, dass wir und alles um uns herum ständig in Bewegung ist. Dinge benötigen ihre Zeit und zwar beim Geschehen, sowie danach beim wieder beruhigen oder lösen.
So kann man zum Beispiel das Ausmass einer Katastrophe erst evaluieren, wenn der Sturm, die Überschwemmung oder der Brand vorbei ist. Oder auch bei einem Attentat, einem Überfall oder Unfall. Es passiert und erst am Ende sieht man den Schaden ganz genau. Genauso verhält es sich in einer persönlichen Krise. Wenn jemand zB an irgendetwas erkrankt, weiss man nicht gleich sofort, was genau los ist. Es braucht unter Umständen mehrere Untersuchungen. Und Zeit.
Das ist auch in jeder anderen Krise so, egal wie gross sie ist oder wieviele Menschen beteiligt sind oder was für ein Ausmass sie einnimmt. Ein Geschehnis nimmt sich seine Zeit. Manche bauen sich langsam auf, werden schlimmer, andere passieren ganz plötzlich, wie eine Explosion – was aber nicht heisst, dass sie tatsächlich unerwartet passiert sind, sondern vielleicht nur für uns unerwartet.

Von unseren Medien werden wir gerne laufend informiert. Das sind Momentaufnahmen, Zwischenberichte, aber bis ganz am Ende oder noch weit darüber hinaus nie objektive, klare Nachrichten. Ich finde diese Art von Journalismus fragwürdig, mein Ding ist es nicht. Journalismus ist für mich etwas anderes. Damals als ich als Typografin bei einer kleinen Zeitung gearbeitet habe… Aber wen interessiert das schon? Lange her… Alles unterliegt dem Wandel der Zeit, alles entwickelt sich in irgendeine Richtung. Und alles hat seine positiven sowie seine negativen Seiten. Seine Berechtigung.
Deswegen liegt es mir fern, hier irgendwas zu verurteilen, denn offensichtlich liefert diese Art von Journalismus durchaus das, was wir wollen. Es wird ja schliesslich ausgiebig konsumiert.
Dennoch ist es dann eigentlich immer für eine ganze Weile die Verbreitung von Unklarheiten, von Eventualitäten, Mutmassungen und Vermutungen und nicht selten auch von Unwahrheiten, weil alles andere ganz einfach viel mehr Zeit benötigen würde. Zeit, die wir offensichtlich nicht mehr haben oder zu haben gewillt sind.
Einfach mal abwarten und dann informieren…
Als ich ein Kind war, haben meine Eltern jeden Tag nach dem Mittag um 12.30 Uhr das Radio eingeschaltet, um die Nachrichten zu hören. Und abends um 19.30 Uhr lief im Fernsehen die Tagesschau. Dazu hatten sie eine Tageszeitung abonniert. Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück. Nicht mehr den ganzen Tag berieselt werden von News…

Wenn ich nun wieder zur Klarheit zurück komme, muss ich sagen, dass ich diesmal ja nicht wirklich vom Thema abgekommen bin. Nur ein bisschen ausgeholt. Meiner Meinung nach ist Information etwas sehr wichtiges und um Verwirrung zu verhindern, wäre es von Vorteil, wenn diese von einer verlässlichen Quelle käme und alle dann dasselbe hören würden.
In der heutigen Zeit ist dies nicht der Fall. Wir hören und lesen viel und längst nicht alles ist wahr oder von Experten, die auch tatsächlich welche sind. Das sind die Tücken des Internet bzw. das ist eine der Tücken des Internet. Jeder kann sehr einfach irgendwas verbreiten und zwar unter Umständen mit einer sehr grossen Reichweite. Dafür muss er kein Experte sein oder wissen, wovon er redet. Wenn es dann im Internet ist, bei Facebook, Youtube oder Twitter, glauben es die Leute und verbreiten es weiter.
Und das stiftet Verwirrung und nicht selten auch Unmut.

Dazu habe ich eine wirklich süsse kleine Geschichte.
Als der Sohn meiner Freundin noch ganz klein war, war er ein totaler Fan von Spongebob. Welches Kind schon nicht? Jedenfalls hat mein Ex-Mann damals ein Foto, auf dem ich mit ihm Arm in Arm war, leicht abgeändert für dieses Kind. Auf dem Foto waren danach Spongobob und ich Arm in Arm zu sehen. Der kleine Junge war B.E.G.E.I.S.T.E.R.T. und absolut geflasht, dass ICH Spongebob Schwammkopf sooo gut kenne.
Es war dann danach auch tatsächlich gar nicht so einfach, ihm zu erklären, dass das eine Fotomontage war usw., denn er wollte das dann gar nicht glauben. Er hat das geglaubt, was er auf Papier gedruckt gesehen hat.
Schwarz auf weiss oder in Farbe. Was man sieht, das glaubt man. Das ist wahr. Und das was man sogar noch in einem Video sieht und hört, erst recht. Ich denke, das passiert auch heute immer noch oft, obwohl man ja eigentlich weiss, dass dem nicht immer so ist.


Um Klarheit zu vermitteln, braucht es neben einer seriösen Berichterstattung auch Einheit und Transparenz vom Vermittler dieser Nachricht. Eine klare Botschaft.
Wenn dies mehrere Personen sind, die sich eventuell nicht einig sind, wird das unter Umständen schwierig. Entweder entscheidet die Mehrheit oder ein Kompromiss wird gefunden. Was dann auch immer entschieden wird, muss oder müsste dann von allen mitgetragen werden. Als Einheit. Es wird gegen aussen nicht unbedingt kommuniziert, wer welche Meinung hatte oder wer mit was nicht einverstanden war, denn damit würde man dem eigenen Team in den Rücken fallen, den Entscheid schwächen und beim Zuhörer Unsicherheit auslösen. Und zur Unsicherheit können sich bekanntlicherweise noch allerlei andere Gefühle gesellen, wie zB die Angst, belogen zu werden. Vertrauen geht verloren.

Ich denke bei meinen Ausführungen zB an den Bundesrat, der momentan in dieser Situation ist. Es ist gerade in einer Krisensituation unglaublich wichtig, dass alle am gleichen Strick ziehen. Dass alle teamfähig und loyal sind. Zusammenhalt. Ansonsten schadet es der erwünschten Klarheit, was meiner Meinung nach momentan genau passiert.
Natürlich kommen noch andere Faktoren dazu. Zum Beispiel die, dass wir gerade in einer Situation stecken, die sich noch am entwickeln und verändern ist. Und trotzdem muss irgendwie laufend gehandelt werden. Das ist eine grosse Herausforderung.

Ich glaube sowieso, die absolute Klarheit ist etwas, was vermutlich überhaupt nicht erreicht werden kann. Das hat einen grossen Zusammenhang mit Wahrnehmung und auch mit unseren kognitiven Fähigkeiten, die ja bekanntlich von Mensch zu Mensch verschieden sind. So kann es recht unterschiedlich sein, wer was wahrnimmt und wer was wie versteht.

Und doch kann man davon ausgehen, dass die grosse Mehrheit der Menschen einigermassen dasselbe hören, sehen und schlussendlich verstehen wird. Hoffentlich.

4 Antworten zu „Klarheit”.

  1. Deine Gedanken passen so gut zu meinem Erleben. Mein Sohn schenkte mir zu Weihnachten „Chernobyl“ https://de.wikipedia.org/wiki/Chernobyl_(Fernsehserie), die ich mir letzte Woche ansah. Ich war damals junge Mutter und bin heute erstaunt, wie sehr ich die Ereignisse vergessen und damals so vieles gar nicht so richtig verstanden habe. Passend dazu sah ich gestern zwei Folgen von „Years and Years“ im Fernsehen: https://www.msn.com/de-de/unterhaltung/tv/tv-tipp-heute-abend-l-c3-a4uft-eine-der-besten-serien-2020-erstmals-im-free-tv-e2-80-93-ab-morgen-dann-gratis-streamen/ar-BB1cKTvh Mehr Folgen konnte ich nicht schaffen und habe gleich die DVDs gekauft. Mir wird so richtig bewusst, dass wir inmitten einer oder zwei Katastrophen stecken, von der wir nicht wissen, wie sie ausgehen. Es ist ein anstrengender Balanceakt zwischen dem Erkennen und Verstehen sowie der Notwendigkeit, die Lebensfreude nicht zu verlieren, was ja besonderes notwendig ist, wenn man noch Kinder zu versorgen hat. 💝💐

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  2. Du sprichst mir aus der Seele.
    Danke & lieben Gruß, Reiner

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  3. Wie sehr du immer den Nagel…nein…die Welt auf den Kopf triffst…

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