Die Frauen meiner Familie


Jede Familie hat wohl so ihre Geschichten. Einige werden offen kommuniziert, andere eher nicht. Und sowieso nicht gegen aussen.

Nach dem Tod meiner Mutter und dann auch nach dem Tod meines Vaters wieder, arbeitete ich ziemlich an mir, um die Angst, auch so früh zu sterben loslassen zu können. Unter anderem war da natürlich auch der Stammbaum ein Thema. Während ich mich vor allem auf die Ahnen auf Mutters Familienseite konzentrierte, weil ja sie und auch ihr Vater sehr jung gstorben waren, ahnte ich nicht, dass ich eines Tages die selben Wege wie die Frauen auf Vaters Seite einschlagen werde. Sowas tut man ja nicht bewusst, das geschieht einfach…

Ich habe drei Cousinen. Ich weiss nicht, ob sie meinen Blog lesen und wenn, dann hoffe ich, dass es okay ist, dass ich über unseren Weg schreibe. Also. Drei Cousinen, ich bin die jüngste von uns, weil mein Vater der zweitjüngste von vielen Kindern war, aber das spielt keine Rolle. Als letzte von uns vieren bin ich nun auch alleinerziehend geworden. Alle vier ziehen ihr Kind ohne Mann auf und mir fällt gerade auf, dass jede ein Kind hat. Das ist unsere Gemeinsamkeit.

Gehen wir also eine Generation weiter… Ein Kind ist ein Junge bzw. nun ein Mann, die andern sind Mädchen bzw. bereits erwachsene Frauen. Eine davon ist auch bereits Mama und – siehe da – auch alleinerziehend.

Das ist ja in der heutigen Zeit nichts aussergewöhnliches. Wenn man davon ausgeht, dass jede zweite oder dritte Ehe geschieden wird und bestimmt aus vielen von ihnen auch Kinder entstanden sind, gibt es logischerweise viele allererziehende Mütter und natürlich auch Väter, wenn auch wenige.

Aber gehen wir doch mal eine Generation zurück, also zu meinem Vater und seinen Geschwistern. Ich weiss das jetzt nicht genau, aber ich glaube, das waren zehn Geschwister oder sogar elf. Soviel ich weiss, sind zwei von ihnen schon als Babies bzw. Kinder gestorben, was wohl zu dieser Zeit keine Seltenheit war.

Irgendwie sind die Männer auf dieser Familienseite auch eher jung gestorben, merke ich gerade. Nur gerade einer lebt noch, es besteht aber kein Kontakt zu ihm. Mein Vater war der einzige, der mit seiner Frau – also mit meiner Mutter – bis zu ihrem Tod zusammen geblieben ist, die andern waren oder sind geschieden. Ich glaube, die Männer auf Vaters Seite und auch er, waren eher stille Menschen. Mein Vater war aber dennoch sehr kontaktfreudig und ich glaube, er war ein beliebter Mann, humorvoll, hilfsbereit und einfach liebenswürdig. Meine Onkel habe ich wohl zu wenig gekannt, um sie zu beschreiben. Ich mochte meinen Onkel F. sehr, obwohl ich ihn selten gesehen habe.
Eigentlich habe ich alle Onkel und Tanten an der Beerdigung meines Vaters dann seit langem wieder mal gesehen, eine ist nicht gekommen. Seit dieser Beerdigung schrieben mein Onkel F. und ich uns jedes Jahr Weihnachtskarten. Ich schickte ihm Fotos von meiner Tochter und er legte jedes Jahr eine Zwanzigernote ins Kuvert für sie.
Ich hatte immer grosses Mitgefühl mit Onkel F. Ich glaube, dass er wirklich ein tragisches Leben hatte. Was alles genau passiert ist, warum und in welcher Reihenfolge, das weiss ich nicht. Aber ich glaube, er hat seine Scheidung nicht gut verkraftet und fing an zu trinken. Vielleicht hat er aber auch schon vorher getrunken und es kam deswegen zur Scheidung, das ist auch möglich. Traurig ist es alleweil, egal in welcher Reihenfolge. Irgendwann später nahm sich sein Sohn das Leben und noch später landete Onkel F. im Krankenhaus, weil er sich fast zutode gesoffen hatte, wenn man das so sagen darf. Er erholte sich aber davon und trank viele Jahre keinen Alkohol mehr, um dann irgendwann, nochmal viel später, an Krebs zu sterben…

Aber eigentlich wollte ich ja vor allem über die Frauen schreiben, obwohl gescheiterte Ehen irgendwie allgemein eine Gemeinsamkeit zu sein scheinen.
Ich bemerke gerade, dass ich eine Tante vergessen habe auf der Familienaufstellung, welche sowieso nicht komplett und korrekt ist. Sie lebte in einer psychiatrischen Klinik, wenn ich mich richtig erinnere, schon als ich ein Kind war und war geschieden. Wo ihr Sohn augewachsen ist, weiss ich nicht und ich habe ihn auch nie getroffen. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.
Dann bleiben noch drei Tanten. Zwei von ihnen haben ihr Kind auch allein aufgezogen. Ich fand diese Familiengeschichten immer reichlich verwirrend, hat sich doch der Mann von Tante M. von ihr getrennt, als die Kinder gross waren und dann Tante H. geheiratet, mit der er zu diesem Zeitpunkt auch schon einen fast erwachsenen Sohn hatte. Unterdessen weiss ich ein paar Details mehr, aber die will ich da jetzt auch nicht ausbreiten. Eine spannende Geschichte, Material für einen ganzen Roman.
Tante M. hatte also ihren Mann bei sich, bis die Kinder erwachsen waren, soviel ich weiss. Tante H. hat ihren Sohn aber allein aufgezogen. da der Vater ja noch bei seiner ursprünglichen Familie war.

Und dann war da noch meine Patentante A., die eine Tochter hat. Eine uneheliche Tochter, wie man es damals nannte. Ich weiss, dass meine Cousine wirklich gerne wissen wollte, wer ihr Vater ist, soviel ich weiss, hat sie es aber nie erfahren. Ihre Mutter wird dieses Wissen wohl mit ins Grab nehmen eines Tages. Ich habe mich darüber immer gewundert und ich fand das auch ehrlich nicht korrekt von ihr. Es ist doch total verständlich, dass man wissen will, wo seine Wurzeln sind, das muss sie ihr doch sagen!
In der Zwischenzeit bin ich etwas älter geworden, habe viel gehört und gelesen und urteile nun nicht mehr so hart über meine Tante. Sie wird ganz bestimmt ihre Gründe haben, dass sie nicht darüber sprechen will. Wer weiss, vielleicht waren die Umstände ja nicht so erfreulich wie man es sich wünschen würde. Ich glaube, meine Patentante hatte nie einen Freund oder Partner. Jedenfalls habe ich nie einen Mann an ihrer Seite gesehen. Ich denke, es wird seine Gründe haben, dass sie sich nicht mehr auf einen Mann eingelassen hat. Und vielleicht war es in dieser Zeit ja auch sowas wie unmöglich, einen Mann zu finden, wenn man ein Kind hat. Ich weiss es nicht.

Diese drei Schwestern wohnten zu dieser Zeit alle in der selben Stadt und sogar in der selben Nachbarschaft und haben einander geholfen, vor allem bei der Kinderbetreuung, was ich mir bei der Geschichte von Tante H. und Tante M. echt nicht einfach vorstelle. Stellt euch Tante M. vor, wie sie das Kind von Tante H. bei sich hatte, damit diese arbeiten konnte, wobei dieses Kind ja auch das Kind ihres eigenen Ehemannes war…
Hut ab!!
Tante H. und A. haben natürlich ziemlich viel gearbeitet, sie waren ja alleinerziehend. Ich könnte mir vorstellen, dass so in den 60er Jahren gar nicht so viele verheiratete Frauen beruftsätig waren. Da war es wohl eher normal, als Frau zuhause zu sein. Hausfrau und Mutter. Ich denke auch, dass es zu dieser Zeit schwer war, allein als Frau mit Kind. Und auch als Frau ohne Mann.
Ich finde das schon richtig bewundernswert, dass sie das so gut gemeistert haben.

Ich glaube, die Frauen meiner Ursprungsfamilie haben wirklich richtig viel geleistet. Das war bestimmt nicht nur einfach, sie mussten sich ganz sicher oft durchschlagen und kämpfen. Nicht nur meine Tanten. Ich weiss, dass meine Grossmutter auch so eine war. Eine starke, aber auch dominante Frau neben einem eher zurückhaltenden Mann.
Und meine Cousinen! Jede einzelne von ihnen hat total viel gemeistert. Total viel überstanden. Ups, aber auch sehr tiefe Downs. Sie sind zu wunderschönen, beeindruckenden und empathischen Frauen geworden, bestimmt nicht zuletzt gerade wegen all dem, was sie erlebt haben. Und sie haben Kinder gross gezogen, die ganz wunderbar geworden sind.

Moni, Yvonne, Rita und Diana… wir sehen uns soooo selten, aber wenn, dann spüre ich unsere starke Verbindung und auch meine Liebe zu euch!
Ich bin stolz, Teil dieser Familie zu sein, auch wenn nicht immer alles nur einfach ist und die vorgespurten Wege eigentlich nicht ganz meinen Vorstellungen entsprechen. (Euern wohl auch nicht.)

Wir machen einfach weiter so.















2 Antworten zu „Die Frauen meiner Familie”.

  1. Vielen Dank, darüber freue ich mich sehr!

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  2. Mit großem Interesse habe ich diesen Beitrag gelesen und freue mich, dass du die Freiheit hast, so offen und ehrlich zu berichten was du deinem Leben gehört. Meine Frau hat vor einiger Zeit die Familiengeschichte ihrer Mutter in einem Buch aufgeschrieben und das ist wirklich gut geworden. Wenn man einmal anfängt, dann kommen doch viele Details zusammen. Und über die Generationen sieht man manches mit anderen Augen und kommt auch echt zum Staunen. Du sollst wissen, ich lese Dich gerne auch wenn wir uns nicht kennen.

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