Letzte Woche ist es mir passiert, dass ich in einen Kreisel fuhr, dabei niemandem den Vortritt nahm, nicht zu schnell, nicht zu langsam fuhr, korrekt geblinkt, alles perfekt… da kam auf der inneren Spur ein Auto gefahren, ziemlich schnell, und wollte dort, wo ich mich dann gerade fahrend befand, den Kreisel verlassen. Ich war ihm also im Weg, für 10 Zehntelssekunden oder so. Statt einfach ein wenig abzubremsen und zu warten, bis ich vorbei war, hat er sich wahnsinnig aufgeregt und hat lautstark gehupt. Und ziemlich lange. Mir war es furchtbar peinlich, bis ich realisierte, dass ich ja gar nichts falsch gemacht habe. Und trotzdem hat er mir das Gefühl gegeben und andere Verkehrsteilnehmer haben das vielleicht auch gedacht.
Im Strassenverkehr fällt es mir immer wieder auf, dass der, der am lautesten hupt, längst nicht immer im Recht ist, obwohl er das natürlich meint.
Und vermutlich ist das nicht nur im Strassenverkehr, sondern auch im restlichen Leben genau so. Wer am lautesten schreit, andere verurteilt und beschuldigt und sich am ausdauerndsten verteidigt und rechtfertigt, ist dadurch noch längst nicht unschuldig. Und doch glauben ihm dann ganz viele und stimmen in seinen Gesang ein.
Ich will damit überhaupt nicht sagen, dass der oben Beschriebene auf jeden Fall im Unrecht ist, nein. Ich will damit nur sagen, dass es empfehlenswert ist, sich selbst ein Bild von einer Situation zu machen, bevor man jemandem ein Verhalten, eine Schuld oder Unschuld zuweist.
Ich finde eigentlich auch, dass dies sogar nicht mal immer nötig ist. Was bringt es mir oder jemand anderem, wenn ich mithelfe einen Schuldigen zu suchen? Bzw wenn er gefunden ist, ihn kaputt zu machen mit Vorwürfen und Worten? Braucht es jemanden, der angefangen hat? Jemanden der sich inkorrekter als andere verhalten hat? Manchmal gibts einen und der muss auch genannt werden bzw. die Konsequenzen für sein Handeln dann tragen. Durchaus. Für einen solchen Fall haben wir ja dann die Polizei oder Gerichte, die dem nachgehen, sollte es um etwas Kriminelles handeln.
Das ist ja dann vielleicht der Worst Case.
Es gibt auch Situationen, die als schlimm empfunden werden und nicht gesetzenswidrig sind, sondern eher ethisch oder moralisch nicht vertretbar. In diesem Fall bin ich der Meinung, dass es viel effizienter ist, wenn die betroffenen Personen dies untereinander klären, ohne andere hinzu zu ziehen. Bzw. ohne dass andere ihre meist doch sehr unqualifizierte Meinung dazu auch noch äussern, die sie durchaus zu haben scheinen, ohne die Vorfälle von beiden Seiten her zu kennen. Da staune ich doch manchmal, wie schnell man sich ein Bild über etwas oder jemanden machen kann und wie unreflektiert dies stattfindet. Wie schnell man bereit ist, die Hand ins Feuer zu legen, obwohl es eigentlich zu heiss ist. Ich nehme mich da nicht raus, das passiert bestimmt jedem.
Irgendwie kommt mir da das Mittelalter in den Sinn….
Leute wurden an den Pranger gestellt, egal ob schuldig oder nicht. Die Menschen scharten sich darum herum, genossen das Schauspiel, spuckten und irgendeiner warf den ersten Stein.
Das ist längst nicht mehr so, wir sind zivilisierter und reflektierter geworden. Sind wir?
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