Die Dunkelheit und das Licht


Die Geschichte von der Dunkelheit und dem Licht

Diese Geschichte ist alt. Uralt.
Sie handelt von der Dunkelheit. Vom Herbst und vom Winter. Und auch vom Licht.

Es war Herbst. November, um genau zu sein. Der Winteranfang liess eigentlich noch eine ganze Weile auf sich warten und doch fühlte es sich für die Menschen schon wie Winter an. Sie frierten. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger. Zu lang. Die Dunkelheit übernahm die Herrschaft über das Land, so kam es ihnen jedenfalls vor. Woche für Woche wurde es früher dunkel. Und morgens später hell. Auch tagsüber kamen die Sonne und das Licht oft nicht richtig hervor, schimmerten nur leicht durch den Nebel. Die Sonne verlor an Wärme. Die Hitze des Sommers war vergessen.
Es gab sie aber schon, diese wunderschönen Tage, an denen kein Wölkchen am Himmel zu sehen war. Tage, an denen die Sonne warm auf Mensch, Tier und Natur schien und ihr alle Geschöpfe ihre hungrigen Gesichter entgegen streckten, um die Wärme und das Licht auf und unter der Haut zu spüren. Es schien, als wären sie bereits jetzt, nur ein paar Wochen nach dem langen, heissen und lichtdurchfluteten Sommer bereits ausgehungert und wollten ihre Speicher füllen, um für den langen, kalten Winter gewappnet zu sein. Als ob das funktionieren würde… Und dennoch redeten sie es sich jeden Herbst ein.
Die warmen Tage wurden seltener und seltener, je weiter sich der November hinzog. An zu vielen Tagen schoben sich grosse, dunkle Wolken vor die Sonne und dicke, graue Nebelschwaden machten den Tag noch dunkler, noch düsterer als er sowieso schon war. Den Menschen machte dies zu schaffen. Vergessen waren die schönen Sommer- und Herbsttage. Vergessen war auch ihr Klagen und Jammern über die Hitze, die Trockenheit. Es war, als hätte es den Sommer nie gegeben.
Die Menschen vermissten die Sonne. Sie verfluchten die Dunkelheit, den Nebel, die Kälte und die immer länger dauernden Nächte. Es setzte vielen von ihnen sehr zu, sie wurden krank. Einige physisch, andere psychisch, einige beides.

Und es war erst November.
November.
Erst der Anfang des kommenden Winters.
Es folgten die Wintermonate. Kalte, gar eisige. Düstere, gar dunkle.

Während dem sich die Menschen elend fühlten, froren und klagten, erholte sich der Boden, der ihnen im Sommer und Herbst Gemüse, Getreide und Obst beschert hatte, von einer anstrengenden Zeit. Es freute sich auf seine wohlverdiente Pause und auf ein bisschen Ruhe, bevor das Spriessen und Wachsen im Frühling wieder losgehen würde. Neben der Natur gefiel auch den Tieren der Herbst und auch ganz besonders der Winter. Sie liebten den Schnee, denn er brachte die Stille mit sich. Es war jedes Jahr so. Die Waldtiere beobachteten dieses Phänomen jedes Jahr. Im Herbst und Winter wurden die Menschen stiller. Es schien, als würde die ganze Welt ganz ruhig. In den Häusern sahen sie Lichter schimmern, die Menschen machten es sich gemütlich und wärmten sich in ihren gemütlichen Stuben. Draussen wurde es frostig kalt und drinnen warm. Den Tieren gefiel diese Stille. Einige von ihnen suchten sich ein sicheres Plätzchen und legten sich zum Winterschlaf nieder.

Das Licht versteckte sich in der Dunkelheit des Winters. Sie fühlte sich ausgelaugt von einem endlos langen Frühling und Sommer, es war müde, fühlte sich matt. Die Menschen schienen ihm manchmal masslos, gar gierig, als ob sie es bis zum letzten Tropfen aussaugen wollten, als kriegten sie nie, nie genug.

Das Licht schlief viel. Hinter den Wolken, im Nebel.
Wenn es hervor blinzelte, freute es sich über die Menschen, die zum Himmel schauten und ganz genau wussten, „dass hinter den Wolken immer Licht ist“ (Zitat v. Deichcruiser, Hamburg). Denn genau dort war es. Um sich auszuruhen, um Helligkeit und Wärme aufzutanken. Es gab auch im Winter Tage, an denen es mit Hilfe der Sonne die Dunkelheit durchbrach und die Welt mit Licht überflutete, worüber alle sich immer freuten.
Im Frühling wird es zurück kommen. Gut ausgeruht vom Winterschlaf, wärmer und heller als jemals zuvor. Die Dunkelheit wird den Tag wieder der Sonne überlassen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Die Natur wird erwachen, grünen und spriessen und der Mensch wird sich daran erfreuen.

Genau so wird es sein.
Jahr für Jahr für Jahr.

 

 

2 Antworten zu „Die Dunkelheit und das Licht”.

  1. Das ist ein wunderschöner Blogbeitrag.

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