So ähnlich habe ich das vor ein paar Tagen gelesen und es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich studiere daran herum, ob das so stimmt oder ob es nichts weiter als eine Pauschalisierung ist.
Verallgemeinerungen… es gibt so viele. Was ist eine Verallgemeinerung eigentlich? Für mich sind das stereotype Aussagen, die einer auf den ersten Blick zusammengehörenden Gruppe von Menschen (oder Tieren, Dingen, Orten…) zugeschrieben wird. Meistens wohl entstanden aus der Erfahrung mit einem oder mehreren dieser Spezies. Also zum Beispiel alle Männer. Alle Schweizer. Alle Blondinen. Alle Ärzte. Alle Hunde. Alle asiatischen Länder usw.
Und wozu sind diese stereotypen Meinungen denn eigentlich gut? Keine Ahnung, es gibt bestimmt Pro und Kontra, wie überall. Ich sehe auf den ersten Blick aber eher, dass es mir nicht gefällt. Sind das nicht diese Schubladen, in die wir nicht gesteckt werden wollen? Diese Eigenschaften, die sich mir überstülpen und die ich z.B. als Frau verkörpern soll? So wird schnell jedes schlecht gelaunt sein oder jedes sich wehren zu Rumgezicke, weil Frauen das so machen. Besonders, wenn sie ihre Tage haben. Und einparken können Frauen üüüüüberhaupt nicht. Das weiss ja jeder. (Ich kann das wirklich nicht so gut. Seitwärts. Ein Graus. Aber nur, weil ich das nie mache. Andere Artgenossinnen können das ja bestens. Sogar mit Lastwagen und anderen Vehikeln. Also, Fresse!)
Und die Männer… die stecken in der Schublade „zeigen keine Gefühle“. Ahhh ja, und sie können mit den Gefühlsausbrüchen der Frauen (so sind sie ja alle) nicht umgehen. Und die Schwulen, die sind ja alle so und so und so. Und Kinder… auf denen klebt das Etikett „laut“. Boys spielen nicht mit Puppen, Mädchen ganz bestimmt nicht mit Lego Star Wars.
Also so komme ich zum Schluss, dass Verallgemeinerungen für mich nichts positives sind. Ich kann mir vorstellen, dass wir durch solche Meinungen vielleicht in Verhaltensweisen gedrängt und auch missverstanden bzw. missinterpretiert werden. Vorurteile werden unter anderem so gebildet und wir müssen zB jemanden, der auf eine bestimmte Art auf irgendetwas reagiert oder irgendwelche Verhaltensweisen zeigt, nicht mehr hinterfragen bzw. fragen was los ist, denn es wird ja so von der Allgemeinheit erwartet. Das ist jetzt bestimmt auch überspitzt, aber wir pauschalisieren ja heute.
Also, komme ich nochmal auf den Titel des Beitrages zurück. Loslassen und weiter machen. Es geht ja offensichtlich um Situationen, die schwierig sind, um Krisen. Auf den ersten Blick würde ich diese Aussage „Loslassen braucht Mut, weiter machen Kraft“ unterschreiben. Das hat in erster Linie einen Zusammenhang mit der Bedeutung, die wir mit den Worten „Loslassen“ und „weiter machen“ verbinden. Unsere Erfahrungen, vielleicht schmerzhafte, spielen auch mit…
Loslassen scheint mir nie einfach. Menschen nicht, gewohnte Verhaltensweisen nicht… irgendwie ist das mit Traurigkeit verbunden, so scheint es mir. Immer. Das hat etwas mit meiner persönlichen Geschichte zu tun, ich bin mir dessen bewusst. Ich musste Menschen loslassen, als ich es noch nicht wollte, als ich noch nicht bereit dazu war. Ich habe ja immer das Gefühl, dass alle Menschen dieser Welt ein Todes-Trauma erleiden, irgendwann im Verlauf ihres Lebens. Irgendwann stirbt jemand, dessen Tod wir nicht so richtig verkraften.
Ich verbinde Loslassen also sehr mit dem Tod. Ich weiss aber, dass das nur eine von vielen Situationen ist, bei denen es im Leben ums Loslassen geht. Abschiede – kleine und grosse – ist auch loslassen. Oder die Entwicklungsschritte des Kindes, es wird selbständiger, wir lassen immer ein bisschen mehr los. Das ist manchmal mit Wehmut verbunden, aber auch mit Freude. Loslassen kann Befreiung sein, wenn man etwas hinter sich lässt, was uns nicht gut tut. Sich zB aus unguten Lebensgewohnheiten zu befreien und neue Wege einzuschlagen, ja das braucht Mut. Das verstehe ich 100prozentig. Das Bekannte scheint uns meistens einfacher (weil vertrauter) als das unbekannte Neue. Alte Wege hinter sich zu lassen und neue einzuschlagen, ist aber bestimmt nicht immer mit Mut verbunden (oder nicht NUR mit Mut), das kommt total auf die Situation drauf an. Jemand, der auswandert, braucht Mut, er lässt auch viel hinter sich, freut sich aber auf das Neue. Eine freiwillig gewählte Situation. Jemand, der aber zum Beispiel eine Person loslassen muss (zB eine Beziehung, die in die Brüche geht), ohne es zu wollen, da hat loslassen wenig mit Mut zu tun, finde ich. Sondern mit Liebe und festhalten wollen, mit Traurigkeit und Verlust.
Es kommt dabei ja auch noch darauf an, ob man loslassen muss oder will.
Ich könnte jetzt noch lange darüber schreiben. Aber ich will auch noch zum „weiter machen“ kommen.
Braucht man zum weiter machen immer Kraft? Ja, bestimmt oft, damit bin ich einverstanden. Manchmal ist aber weiter machen einfacher und benötigt weniger Kraft als Loslassen und weiter zu gehen. Vielleicht hat man davor so viel Angst, dass es eine Unmenge an Mut brauchen würde. Aber auch eine Unmenge an Kraft, Kraft die man vielleicht nach einer so langen Zeit des Weitermachens gar nicht mehr hat. Und vielleicht braucht auch noch ganz andere Ressourcen als nur Mut oder Kraft… Das ist bestimmt von Person zu Person, von Situation zu Situation verschieden.
Ich komme zum Schluss, dass für mich die Aussage im Titel zwar oberflächlich betrachtet stimmt, wenn man es sich aber genauer überlegt und sich verschiedene mögliche Situationen ausdenkt, dann stimmt es für mich aber nicht mehr. Ich finde, dass es immer beides benötigt. Mut UND Kraft. Egal ob man weiter macht oder ob man loslässt.
Komplexes Thema irgendwie….
Das Leben fordert so viel. Unter anderem auch Kraft und Mut.