Man hat sie oder man hat sie nicht…


Ich spreche von der Phantasie. Von der Fähigkeit zu träumen, in Phantasiewelten einzutauchen, fern der Realität. Eine grossartige Fähigkeit, wie ich finde. Und ich kann von mir behaupten, dass ich sie besitze.

Ich denke, als Kind hat man noch richtig viel Phantasie. Bis zu einem gewissen Alter können Kinder ja Realität und Phantasie noch nicht so genau voneinander unterscheiden. Ihre Kuscheltiere, Puppen und sogar imaginäre Freunde gehören zum Alltag. Mit ihnen wird gesprochen, gespielt, gestritten. Alles ist möglich. Es taucht mit Haut und Haaren in Geschichten ein, ist Prinzessin oder Hexe, Tiger oder Kätzchen. Wenn das Kind auf dem Spielplatz hoch und noch höher schaukelt, kann es ein Vogel sein. Wenn es seine Augen schliesst ist nicht nur die Welt, sondern es selbst verschwunden. Es gibt ein Christkind und den Osterhasen. Als Kind ist es so einfach, in Rollenspiele und fantastische Welten einzutauchen. Alles ist Inspiration. 

Und wann verliert der Mensch diese Fähigkeit? Und warum? Wenn als Jugendlicher der Druck zu gross wird? Wenn wir in die wenig elastischen Schubladen der Gesellschaft gezwängt werden? Wenn der sogenannte Ernst des Lebens unsere Farben mit Grau übermalt? Wenn uns das Leben dermassen (über)fordert, dass es uns den Atem nimmt? Ersticken so unsere Träume? Platzen dann Phantasiewelten? 

Ich glaube nicht, dass ich die Phantasie jemals ganz verloren habe. Aber sie wurde wohl vom Leben in eine hintere Ecke des Gehirns geschoben. Manchmal ist die Realität genug oder mehr als genug. Sie hält uns auf Trab, macht uns schlapp. 

Erst als ich Mutter wurde und begann, für das Kind (oder auch mit dem Kind) Liedchen, Geschichten und Reime zu erfinden, blühte meine Phantasie wieder auf. Totaaaaaaaaal!!! Ich glaube, als Erwachsener ist es wichtig, Realität und Phantasie ganz genau voneinander unterscheiden zu können. Man darf mit den Gedanken manchmal davon schweben, wenn man mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Manche tun das mit Hilfe von Büchern, von Filmen oder eben zum Beispiel auch durchs Geschichten ausdenken, durchs Gedanken machen, herum spinnen. Die kleine Schatzkiste, weit hinten im Gehirn, ist voll davon! Ideen, Visionen, Träume, Erinnerungen. Blödsinn und Ernstes. Lustiges und Trauriges. Beängstigendes und Fröhliches. 

Mein Kind liebt meine spontan erfundenen Märchen noch heute viel mehr als die vorgelesenen. So macht das natürlich Spass. Sie ist auch ein phantasievolles Kind mit tausend Ideen. Hoffentlich bleibt das noch ganz, ganz lange so.  Die Phantasie gehört ja nicht unbedingt zu den wichtigsten menschlichen Eigenschaften in unserer Gesellschaft. Und doch muss ich sagen, ICH finde Phantasie toll! Sie ist Ausgleich und Erholung. Eine kleine Rettung aus den Fängen der Alltagssorgen, wenn auch nur für eine Weile. 

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