
24. September 1998
Ein Donnerstag. Ich war an diesem Morgen ungewohnt unruhig und bin statt nach Brugg in die HFS Aargau ins Krankenhaus gefahren, um nach meiner Mutter zu schauen. Es waren zwei Tage vergangen, seitdem sie auf die Intensivstation verlegt wurde. Am Abend zuvor waren mein Vater, mein Bruder und ich noch bei ihr und konnten uns noch mit ihr unterhalten. Worüber, daran erinnere ich mich nach all den Jahren nicht. Dass sie aber gesagt hat, sie wolle noch nicht sterben, hat sich in meine Erinnerung gebrannt. Für immer.
Jedenfalls hatte ich an diesem Donnerstag Morgen ein sehr schlechtes Gefühl und fuhr zu ihr. Dort angekommen, wurde ich von einer Ärztin in Empfang genommen und in einen Raum geführt. Sie erkläre mir, dass sich der Zustand meiner Mutter über Nacht nochmal verschlechtert hat und nun über lebensverlängernde Massnahmen entschieden werden muss. Im Konkreten, ob sie beatmet werden soll… Ihre Erkrankung war so fortgeschritten, dass eine Heilung nicht mehr möglich war. Der Krebs war überall im Körper.
Ich kann mich gut erinnern an meine Überforderung, die ich empfunden habe aufgrund dieser schwierigen Entscheidung. Mir wurde erklärt, dass das Risiko beim Beatmen weitere Infekte wären und dass es tatsächlich auch ein Verlängern des Leidens wäre. Ich weiss nicht, wie lange ich in diesem Raum geweint habe. Ich kann mich daran erinnern, dass die Ärztin mich in ihre Arme genommen hatte und auch Tränen in den Augen hatte. Als ich mich wieder ein wenig gefangen hatte, entschied ich mich, zu meiner Mutter zu gehen. Sie war noch ansprechbar, konnte aber selber nicht mehr sprechen. Ich frage sie, ob man ihr die Situation erklärt habe. Sie nickte. Ich fragte sie, ob sie mit der Empfehlung der Ärzte einverstanden sei und sie nickte. Nur ein paar Stunden nachdem sie noch Hoffnung aufs Überleben hatte, war es jetzt schon soweit. Viel zu früh und viel zu schnell. Der Tod holte sie ein paar Minuten später zu sich.
Im September jährt sich ihr Todestag zum 25. Mal. Ich vermisse sie manchmal noch. Vielleicht weniger sie als Person, sondern jemanden, der für mich die Rolle der Mutter einnimmt und für meine Tochter die der Grossmutter. Das fehlt sehr. An sie, wie sie wirklich war, kann ich mich nur noch sehr wenig erinnern. Als sie starb war ich noch jung und sie auch.
Im Verlauf der Jahre gewöhnt man sich ans Leben ohne jemanden, der:die verstorben ist. Es braucht Zeit. Das Leben steht jedoch nicht still, die Zeit läuft weiter und wir mit ihr.
Nach so vielen Jahren kann ich mich nicht mehr an ihre Stimme erinnern. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, was für eine Beziehung wir zueinander hatten. Sie ist einfach weg und hat einen Teil meines Herzens mitgenommen, aber auch einen Teil von sich in mir weiterleben lassen.
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