
Bei Facebook werden einem ja täglich viele Dinge angezeigt. Meistens überfliege ich sie nur, wenn überhaupt. Ich glaube, das meiste geht an mir vorbei, ohne dass es meine Aufmerksamkeit erhaschen könnte. Heute sah ich folgenden Bericht einer Mutter und las ihn durch:

Ich habe nur einen Screenshot gemacht und poste ihn hier. Der Links steht unter dem Bild, falls es jemand lesen möchte, was ich euch durchaus sehr empfehle.
Es geht nicht ums lesbisch sein, wenn dies auch in diesem Beispiel der Fall ist. Es geht auch nicht ums tolerant sein, obwohl wir es manchmal gern so nennen. Aber warum ist es tolerant, wenn wir andere so annehmen wie sie sind? Warum ist es nicht einfach normal?
Warum freuen wir uns nicht einfach alle darüber, wenn jemand lesbisch oder schwul ist und jemanden zum Lieben findet? Warum müssen sich diese Menschen auch heute noch outen und Angst haben, wie ihr Umfeld reagiert? Und warum müssen dann heterosexuelle Menschen das nicht tun? Ich wurde jedenfalls noch nie gefragt, ob ich auf Männer stehe. Und warum geht das überhaupt jemanden etwas an? Wie scheiss-egal ist es, ob die Arbeitskollegin lesbisch ist oder mein Arzt schwul (das sind nur erfundene Beispiele, nicht dass hier noch Gerüchte in die Welt gesetzt werden). Das beeinflusst mein Leben null und ich sollte mich lieber um meinen eigenen Kram kümmern. Und ihr euch auch.
Wieviele Menschen leben wohl seit immer allein, weil sie nicht zu ihrer „Neigung“ stehen konnten oder durften? Oder wieviele Menschen leben mit einem Partner des andern Geschlechts, obwohl er oder sie eigentlich homosexuell ist, sich aber nicht traut es auszuleben? Ich spreche da jetzt nicht unbedingt von jungen Leuten, ich hoffe dass das bei Jungen wirklich keine so grosse Schwierigkeit mehr ist. Ich spreche aber von mittelalterlichen bis alten Menschen. Ich glaube, das gibt es öfter als wir denken, denn vor x Jahren war das mit dem homosexuell sein schon noch anders. Das kann man jetzt gut finden oder nicht, aber es war einfach so. Ändern können wir die Vergangenheit ja auch nicht. Aber die Gegenwart und die Zukunft.
Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass mein Kind eines Tages zu mir kommt und mir sagen würde, es wäre lesbisch und es müsste Angst haben vor meiner Reaktion. Natürlich hat eine solche Nachricht einen bitteren Nachgeschmack z.B. weil man halt dann wohl nicht Grossmutter werden wird oder weil man halt weiss, dass auch heute dieser Weg noch nicht immer der einfachere von beiden ist. Und genau deswegen und erst recht brauchen unsere Kinder unsere Unterstützung, wie bei allem was sie tun. Und sie sollen glücklich sein. Einfach nur glücklich.
Wie oben gesagt, es geht aber nicht wirklich nur ums lesbisch oder schwul oder ums tolerant sein. Es geht ums normal sein oder halt eben ums abnormal sein, was ja dann das Gegenteil von normal wäre. Wir als Gesellschaft definieren diese Werte und Haltungen und auch diese Massstäbe. Und wir behindern eigentlich auch Menschen, die in irgendwelchen Dingen anders als wir sind oder zB eine gewisse Unterstützung oder mehr Zeit brauchen. Würden wir das nicht tun, wäre vieles anders.
Dass wir momentan so viel hören von Integration und auch von Inklusion bedeutet, dass wir diese Menschen irgendwann in der Vergangenheit aus der Gesellschaft verbannt bzw. an den Rand oder sogar über den Rand hinaus gestossen haben. Homosexuell durfte man gar nicht sein. In der Schweiz ist Homosexualität zB seit 1942 legal. In Deutschland sogar erst 1969. Das heisst, vorher war es verboten und auch strafbar. Die Entkriminalisierung bedeutete aber natürlich noch lange nicht, dass es dann danach toleriert und akzeptiert wurde.
Es geht mir wie oben angedeutet, ums anders sein.
Kinder mit Lernschwächen, Verhaltensauffälligkeiten oder Einschränkungen dürfen zwar zum Teil in unsere „normalen“ Schulen, es wird aber befürchtet, dass ihr Langsam-Sein die andern Schüler daran hindert, vorwärts zu kommen und deswegen sind sie irgendwann wohl meistens nicht mehr tragbar und wechseln in eine Sonderschule.
Ich finde Sonderschulen super und ich finde durchaus, dass da Kinder und Jugendliche mit irgendwelchen Einschränkungen professionell und genau dort gefördert werden können, wo sie es benötigen. Das ist gerade für Menschen mit zB geistigen Einschränkungen sehr wichtig, denn dies entscheidet vielleicht darüber, wie gut sie sprechen können, ob sie lesen lernen, wie selbständig sie werden und welche Fähigkeiten sie stärken oder erlernen können. Das ist alles nicht selbstverständlich und deswegen besonders wichtig für ihre weiteres Leben. Deswegen finde ich es auch wirklich okay, dass sie eine Sonderschule besuchen. Aber ich finde den Grund, warum sie Regelklassen verlassen müssen, nicht okay. Nämlich weil sie eine Behinderung für die andern sind. Diese Worte stammen nicht von mir und würden sie auch nie. Ich verstehe natürlich, worum es geht.
Und dennoch finde ich, dass Kinder unter Umständen wahnsinnig profitieren könnten von Kindern mit Einschränkungen. In der sozialen Entwicklung. In ihrem Denken über Leistung. Im Hilfsbereit sein. Im Umgang mit Menschen, egal ob sie „anders“ sind oder nicht. Im „tolerant“ sein und im akzeptieren von andern. Im Menschen nicht mehr so sehr als normal und unnormal anzusehen. Im Verständnis. Und natürlich auch darin, nicht aus Überforderung, Angst oder Unwissen blöd reagieren zu müssen, wenn sie irgendwann mal auf dem Bahnhof oder im Zug von einer psychisch kranken oder einer geistig eingeschränkten Person angesprochen werden oder so.
Ich finde, dass das sehr wichtige Werte wären, die man den Kindern da vermitteln könnte. In einer Gesellschaft, in der man aber auf Leistung und Profit getrimmt wird, hat das nicht so viel Platz. Vielleicht wäre dann aber vieles anders. Vielleicht hätten Menschen mit Einschränkungen in Geschäften und Firmen einen Arbeitsplatz, auch wenn sie in der selben Zeit weniger leisten als ihre Kollegen. Vielleicht hätten sie normal-begabte Freunde, die sie auch mal besuchen oder einladen, ohne sich komisch zu fühlen oder für sie zu schämen. Vielleicht hätten sie dann einen ganz andern Platz in unserer Gesellschaft und wären dadurch nicht mehr Behinderte, sondern einfach nur ein bisschen anders.
Auf meinem Weg zur Arbeit heute habe ich einen Rollstuhl-Fahrer überholt, der mit seinem Renn-Rollstuhl oder wie auch immer man den nennt, vermutlich um den Sempachersee gefahren ist. Da trifft man immer mal Rollstuhlsportler, denn in Nottwil ist ja unser grosses Paraplegiker Zentrum.
Rollstuhlfahrer sind gelähmt. Paraplegiker an den Beinen und Tetraplegiker vom Hals abwärts, glaube ich. Ich bin da jetzt nicht ganz sicher, ich glaube es gibt da verschiedene Stufen. Viele von ihnen wohl, nachdem einen schlimmen Unfall hatten.
Das sind Menschen mit einer körperlichen Behinderung. Die Behinderung besteht darin, dass sie in einer Welt, die auf aufrecht gehende Menschen ausgerichtet ist, sitzend nicht oder nur zum Teil zurecht kommen. Ich denke, in den letzten zehn Jahren haben wir Fortschritte gemacht und es ist bestimmt vieles für sie einfacher geworden. Dazu gibt es wohl gute Hilfsmittel. Es war aber Jahrzehnte lang ein Problem für Rollstuhlfahrer, in einen Zug oder Bus einzusteigen. Viele Häuser und Wohnungen waren nicht rollstuhlgängig und damit nicht zugänglich für sie. Schulhäuser… öffentliche Toiletten… Läden und Geschäfte… Es war schwierig und gefährlich, die Strasse zu überqueren wegen der erhöhten Bordsteinkante…
Ich kenne mich wirklich mit diesem Thema überhaupt nicht aus und habe das jetzt nur ansatzweise beschrieben, bestimmt auch vieles vergessen. Es war mir nur ein Anliegen, auch da darauf aufmerksam zu machen, dass die Behinderung wohl zu einem grossen Teil vom Umfeld gemacht wird.
Ich finde es übrigens extrem bemerkenswert, wie Menschen in ihr Leben zurück finden nach einem solchen Schicksalsschlag. Paraplegiker, Tetraplegiker, Amputationen und all diese Dinge… nach Unfällen und Krankheiten. Ihr habt meine grösste Bewunderung und auch meinen Respekt für alles, was ihr geleistet habt und noch leisten werdet. Ich weiss, dass da extrem viel Arbeit, Disziplin und ein wahnsinniger Wille dahinter steckt. Und vermutlich in den meisten Fällen wohl auch eine wahnsinnig tiefe psychische Krise, starke Schmerzen, Operationen und den Gedanken, aufgeben zu wollen.
Menschen wie diese haben es ganz besonders verdient, dass man ihnen den Weg zurück ins Leben so gut es geht vereinfacht oder ihnen zumindest nicht noch Bordsteinkanten in den Weg legt…
Vielleicht denkt ihr, ich sei heute wieder mal vom Thema abgekommen und vielleicht bin ich das auch tatsächlich. Aber nein, eigentlich nicht. Ich habe genau das geschrieben, was ich schreiben wollte.
Wenn wir Menschen nicht zuerst ausgrenzen, müssen sie danach auch nicht wieder integriert oder inkludiert werden, was ja sowieso irgendwie nie so richtig funktioniert. Weil sie müssten dann so und in der Position leben, in der wir sie platzieren und das ist nicht Integration. Und Inklusion schon grad gar nicht. Inklusion wäre, wenn sie dazugehören würden genau so wie sie sind und wo sie sein möchten. Vielleicht mittendrin und vielleicht am Rand. Jedenfalls nicht dort wo wir sie hin planen, sondern dort, wo sie sein möchten. Und ihnen wären die Wege offen, ihr Leben ihren Möglichkeiten entsprechend zu gestalten.
Und wir würden uns durch ihr Anders-Sein nicht gestört fühlen… was ja schlussendlich irgendwie der Ursprung dieser Problematik ist.

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