Vom Fliegen und Fallen


Es gibt Menschen, die suchen und brauchen den Nervenkitzel. Sie gehen an ihre eigenen Grenzen und darüber hinaus. Freiwillig. Wenigstens auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick vielleicht doch nicht ganz so freiwillig, denn ich glaube, sie sind auf der Suche. Nach Nervenkitzel, Adrenalinschüben, Grenzerfahrungen… Und ich glaube, schlussendlich geht es um Gefühle. Extrem starke Gefühle… Angst, Freude, Glück. Und damit ums Spüren. Darum, sich zu spüren.

Natürlich verstehe ich diese Aktivitäten und ihre Faszination. Auch ich hatte solche Bedürfnisse schon. Das hat sich aber verändert, seit ich eine Mutter bin. Das Risiko ist mir dann doch zu gross. Unter anderem. Ich bin viel vorsichtiger und auch ängstlicher geworden. Zum Beispiel liebte ich „früher“ Horrorfilme und dieses damit verbundene Grusel-Gefühl und die Spannung. Und seitdem ich ein Kind habe, geht das aus unerklärlichen Gründen überhaupt nicht mehr.

Diese extremen Gefühle sind ja auch nur irgendwie toll, wenn sie schön sind. Also alle Arten von Glücksgefühlen. Das Leben präsentiert uns ja eine ganze Palette von Gefühlen. Die meisten davon sind auf einer Skala von 0-10 halt so zwischen 4 und 6. Alltäglich.
Und zwischendurch überbordet das Leben, irgendwas ganz Tolles passiert und wir surfen für eine Weile auf einer Glückswelle. Wunderschön!
Zwischendurch überbordet das Leben aber auf die andere Seite. Etwas Schlimmes passiert, irgendein Teil des Lebens bröckelt und bricht und vergräbt uns für den Moment unter sich.
Ich glaube, beide Extreme wirbeln alles durcheinander. Um uns herum und auch in uns. Die positiven sind einfach angenehmer zu „ertragen“ als die anderen. Auf der Glückswelle spürt man die Freiheit, den Wind im Haar und man jubelt und schreit voller Freude. Wenn man unter irgendwelchen Trümmern seines Lebens liegt, kann man kaum noch atmen, sieht nur noch schwarz und alles ist schwer. Unsere Psyche entwickelt Angst. Ich finde, dass es unendlich viele Arten von Angst gibt und eine ist schrecklicher als die andere… Angst ist überhaupt ein ganz schlimmes Gefühl.

Ich finde ja, dass man in solchen Momenten auch immer sehr schöne Dinge erlebt. In den tiefsten Krisen erlebt man meiner Meinung nach die allerschlimmsten Gefühle, aber irgendwie auch die schönsten. Hilfsbereitschaft, Verbundenheit und Freundschaft. Und genau diese helfen uns dann, die schweren Brocken ein wenig auf die Seite zu schieben und alles wieder ein bisschen klarer und zuversichtlicher zu sehen. Schritt für Schritt… Von der Glückswelle zu fallen geht irgendwie ganz schnell. Sich von Angst und Trauer zu befreien, dauert oftmals lange.

Ich finde jedenfalls, dass mir das Leben genug an Situationen und Gefühlen bietet, so dass ich es nicht für nötig halte, mir extreme Gefühle künstlich zufügen zu müssen. Ich bin froh, wenn’s einfach mal einigermassen harmonisch und ausgeglichen läuft.
Ob das dieses Alt-Werden ist?

%d Bloggern gefällt das: