Vom Lachen und Weinen


Das Lachen und das Weinen sind Geschwister. Das eine beliebt, das andere verschmäht. Beide gehören zum Menschen. Beide sind Ausdruck verschiedener Gefühle, zum Teil sogar von den gleichen.

Das Lachen. Die auf den ersten Blick Attraktivere der beiden Schwestern, sie strahlt, reisst alle mit und macht ihre Gefährten glücklich, sollte man meinen. Mit ihr ist man gerne zusammen, es ist leicht und fröhlich. Aber ist das tatsächlich so? Es gibt ja unzählige Gründe zum Lachen. Wir lachen, wenn wir uns freuen, wenn wir etwas lustig finden, wenn wir gekitzelt werden, wenn wir glücklich sind. Das ist die eine Seite, ja. Wir lachen manchmal aber auch jemanden aus. Oder aus Schadenfreude, manchmal lachen wir aus Überforderung oder um etwas zu überspielen. Oder einfach, um nicht zu weinen… Wir sehen es nicht jedem Lachen immer an, was der Grund dafür ist. Das müssen wir auch nicht, finde ich. Der lachenden Person ist vielleicht tatsächlich zum Lachen zumute oder sie wird ihre Gründe haben, warum sie uns ihr lachendes Gesicht zeigt und nicht ein anderes.
Und so ist es wie immer mit der Schönheit. Man sieht nur die Hülle und nicht hinein, manchmal ist sie nur Schein. Aussen zeigt sie sich vielleicht strahlend schön und innen sehr hässlich, traurig oder total verzweifelt. Vielleicht ist sie eine Fassade, eine Maske, vielleicht ist sie echt. Ich finde, man sieht es in den Augen. Alles. Ob sie weinen oder ausdruckslos sind, während der Mund lacht. Aber möchten wir es sehen? Sollen wir es sehen? Und dann? Fragen, was los ist oder nicht? Mitlachen ist viel einfacher, oder?

Die andere Schwester ist das Weinen. Ich glaube, sie wird als die weniger Schöne empfunden. Vermutlich, weil weinen als negativer Gefühlsausdruck gewertet wird. Ich finde, dieses Urteil ist etwas einseitig. Natürlich weinen wir aus Trauer, Wut, Überforderung, Schmerz, Angst, Verzweiflung… Das ist alles nicht schön, nein. Aber ich glaube doch, dass das auch wichtig ist. Wir sagen ja manchmal, dass weinen ein Ventil ist. Oder ein Hilfeschrei. Oder eine Aufforderung zum Trösten. Alles rauslassen und dann geht’s wieder besser, weinen kann reinigend sein.
Wir weinen aber auch aus anderen Gründen… Aus Freude zum Beispiel, oder aus Rührung, beim Zwiebeln schneiden, aus Mitgefühl… Eigentlich irgendwie auch ziemlich schön oder? Ich finde, dass weinende Menschen oft wunderschön aussehen. Es ist, als ob sie ihr Inneres, ihre Seele, nach aussen stülpen und etwas ganz Intimes von sich zeigen würden, etwas Weiches, Verletzliches. Etwas, das man auch nicht jedem zeigt, denn wir weinen, wenn wir es verhindern können – so behaupte ich es jetzt mal – eher nicht gern vor anderen Menschen. Bzw. wenn wir bei jemandem Weinen, ist das wohl ein Zeichen von Vertrautheit.
Es gibt auch Leute, die setzen ihr Weinen gekonnt in gewissen Situationen ein, um einen Vorteil zu erlangen, z.B. bei Streit. Ich glaube, das ist wohl nicht immer ein bewusstes Verhalten (was ja dann total berechnend wäre), sondern vielleicht ein Verhaltensmuster, das seit der Kindheit funktioniert hat und somit weiterhin erfolgreich angewendet wird.

Und so finde ich, dass beide Schwestern schön sind und auch beide Teil unseres Lebens sein sollen. Natürlich sehen wir von beiden die glückliche Gestalt lieber. Das andere, das traurige soll aber auch im Gesicht getragen werden dürfen, ohne dass alle überfordert sind und wir uns schämen müssen, weil wir weinen.

 

 

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