Es ist nicht selbstverständlich, in meinem Alter noch Eltern zu haben. Ich kenne Menschen, die haben beide Elternteile nicht mehr, Menschen die ein Elternteil verloren und eins noch haben, ich kenne aber auch Menschen, die beide noch haben.
Ich glaube, es ist etwas ganz Besonderes, seine Eltern an den Tod zu verlieren. Etwas ganz besonders Trauriges und etwa ganz besonders Einschneidendes. Etwas, das einen verändert, auch wenn man längst selbst erwachsen ist.

Ich habe meine Eltern relativ jung verloren. Meine Mutter mit 28 und meinen Vater mit 37. Zuvor meinen auf eine Art irgendwie auch meinen Bruder, als ich 25 war, obwohl er noch lebt. Menschen müssen nicht unbedingt sterben, um ohne jegliche Verbindung oder Beziehung mit uns zu leben. Im selben Leben, aber in einem Paralleluniversum.

Jedenfalls hat vor kurzem jemand festgestellt „Ah, du bist sehr jung zu einer Vollwaisen geworden“
Ja, eigentlich schon.
So hatte ich das aber noch nie gesehen. Waise waren für mich immer Kinder. Waisenkinder. Menschen, die ihre Eltern verlieren, wenn sie noch Kinder sind. Dass Erwachsene auch Waisen werden können, dass man Erwachsene auch Waisen nennen könnte, das habe ich mir wirklich nie überlegt.

Ich habe mir danach immer gewünscht, eine grosse Familie und Verwandtschaft zu haben und ich finde es immer wieder schwierig zu sehen oder zu hören, dass andere eigentlich eine hätten, aber sie nicht wollen. Aber wer wäre ich denn, sowas beurteilen zu wollen? Situationen sind manchmal schwierig und man muss und kann nicht alles verstehen. Und man muss erst recht über alles urteilen. Menschen haben ihre Gründe…

Naja, es ist auch so im Leben, dass nicht alle Wünsche sich erfüllen und dass das Leben nicht immer den Lauf nimmt, den wir uns vorstellen. Es kommt manchmal anders und das kann besser oder schlechter sein. Etwas Gutes daraus zu machen, haben wir schlussendlich dann selbst in der Hand.

Ich glaube, in dem Moment, wenn unsere Eltern sterben, dann stirbt auch das letzte Bisschen unserer Kinderseele in unserem Herzen, ganz egal wie alt wir sind.

Es gibt ein Land der Lebenden
und ein Land der Toten.
Die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe,
das einzig Bleibende, der einzige Sinn.
Thornton Wilder

Das stand damals in der Todesanzeige meiner Mutter. Ich habs gerade per Zufall in einem kleinen Gedichter-Büchlein gesehen und gedacht, ich schreibe mal davon.