
Menschen fühlen sich manchmal von andern Menschen irritiert. Sie fühlen sich normaler als andere und denken, das sei okay so. Normal halt. Aus ganz unterschiedlichen Gründen werden Menschen ausgeschlossen und ich glaube, ganz oft ist der Grund dafür unsere Bequemlichkeit und unsere geringe Toleranz. Es ist angenehmer, sich nicht mit Themen auseinander setzen zu müssen, die einem unangenehm sind. Dinge zu sehen, die uns irritieren oder nachdenklich machen könnten.
Und ich glaube, ganz oft überlegen wir uns einfach gar nicht, ob unsere Welt inklusiv und barrierefrei ist, weil es uns nicht betrifft.
Andere betrifft es aber.
Es gibt zB Menschen, die mitbestimmen möchten und auch sollen, zB bei Abstimmungen und Wahlen. Sie verstehen aber unsere Abstimmungstexte nicht so recht oder brauche Hilfe beim Ausfüllen der Unterlagen. Sie benötigen einfachere Texte, Hör-Texte oder Erklärungen.
Es gibt zB Menschen, die sich nur ganz schlecht in Menschenmengen bewegen können. Denen es in unseren Läden viel zu laut und viel zu hell und hektisch ist. Und trotzdem müssen sie einkaufen gehen und sie sollen das auch tun können. Sie benötigen zB Läden, die das Licht zu gewissen Zeiten ein wenig dimmt und die Musik ausschaltet, damit sie einkaufen gehen können.
Es gibt zB Menschen, die sich ohne Rollstuhl nicht fortbewegen können. Und auch diese Menschen möchten die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Auch diese Menschen müssen in der Stadt mal aufs Klo. Sie möchten vielleicht Konzerte besuchen oder Theater spielen. Sie möchten ins Restaurant, in den Zoo, sie möchten ins Hallenbad und in die Ferien. Sie benötigen Verkehrsmittel, in die sie mit dem Rollstuhl einsteigen können, ohne dass sie das eine Woche im Voraus ankündigen müssen. Sie benötigen rollstuhlgängige Toiletten, überall dort wo auch wir Toiletten finden und sie benötigen Angebote, die ihre Teilhabe unterstützen und zwar einfach alle Angebote, die auch wir einfach so haben.
Es gibt zB Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, die gerne möglichst selbständig wohnen möchten. Sie benötigen Unterstützung dabei, sich die dafür notwendigen Fähigkeiten zu erlernen und für die restlichen sehr individuelle Begleitung oder Betreuung.
Es gibt zB Kinder, die zum Lernen ein etwas anderes Umfeld benötigen als andere. Dafür braucht es Lehrpersonen und Schulen, die das ihnen ermöglichen und ihnen damit auch ein Lernfeld bieten, sich auch in den „vorgegebenen“ Strukturen auszuprobieren und zu lernen, sich dabei zu bewegen.
Es gibt zB Menschen, die mit einer Krankheit leben, die mag physisch oder psychisch sein. Es scheint uns leichter zu fallen, jemandem behilflich zu sein, jemanden zu verstehen, der:die an einem Beinbruch leidet. Man sieht, dass er:sie mit zwei Gehstöcken zB die Tür nicht gut öffnen oder die Tasche nicht tragen kann und es ist einfach, zu helfen, denn man sieht sofort, was fehlt. Das ist nicht immer so. Nicht alle Krankheiten sieht man von aussen und das macht uns unsicher. Gerade psychische Krankheiten irritieren uns oft stark. Menschen, die damit leben, verhalten sich manchmal anders als wie wir es gewohnt sind und wir wissen nicht, was sie brauchen oder OB sie überhaupt etwas brauchen. Wir haben ganz genaue Vorstellungen, was wir normal und was wir komisch finden und wir sind streng mit andern, wenn es darum geht. Es bräuchte eine tiefere Auseinandersetzung mit dieser Person, um heraus zu finden, was gerade helfen würde. (Sehr oft würde es ja reichen zu fragen, aber das kommt uns dann nicht so recht in den Sinn.) Aber wir sind irritiert und unsicher und es ist dann doch einfacher uns darauf zu besinnen, dass WIR ja normal sind und die andere Person nicht und gut ist. Ciao.
Ich finde es ethisch betrachtet sowieso ganz klar, dass jeder Mensch das Recht hat auf Teilhabe und auf ein möglichst eigenständiges Leben und wenn das nicht selber geht, auf die notwendige Unterstützung. Ebenfalls auf Wertschätzung und Respekt.
Dazu gibt es auch rechtliche Grundlagen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Inklusion, auf Teilhabe. Die UNO BRK (UNO Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist seit 2014 in Kraft (Schweiz). Menschen mit Beeinträchtigungen haben die gleichen Rechte wie wir auch. Und das sind übrigens keine Sonderrechte. Es sind einfach genau die gleichen. Die Rechte, die sie haben, die haben wir auch und umgekehrt.
Die UNO BRK formuliert drei Grund-Ziele:
Gleichstellung: Menschen mit Behinderungen verfügen über dieselben Rechte wie Menschen ohne Behinderung und werden nicht aufgrund ihrer Beeinträchtigung benachteiligt.
Zugänglichkeit: Alle öffentlichen Orte sind für alle Menschen zugänglich, alle wichtigen Informationen sind für alle Menschen wahrnehmbar und verständlich.
Teilhabe: Menschem mit Behinderungen sind. Teil der Gesellschaft und können ihre Fähigkeiten, Anliegen und Bedürfnisse einbringen.
https://www.edi.admin.ch/dam/edi/de/dokumente/internationales/amtliches/uno-konvention.pdf.download.pdf/uno-konvention.pdf
https://insieme.ch/thema/inklusion/uno-brk/
Ich mache gerade in meinem privaten Leben (also nicht beruflich) die Erfahrung, dass Inklusion in der Umsetung als wahnsinnig aufwändig und anstrengend empfunden wird. Ich verstehe es natürlich zum einen und zum andern aber auch nicht, weil dabei die Frage aufkommt, ob man Inklusion betreiben will oder doch lieber Exklusion und um ganz ehrlich zu sein, diese Frage stellt sich nicht. Jeder Mensch hat ein Recht auf Inklusion (natürlich auch immer abgestimmt auf seine:ihre Möglichkeiten und auch Vorstellungen).
Ich verstehe, dass es einen gewissen Aufwand bedeutet und auch, dass Umdenken für gewissen Menschen anstrengend sein kann. Ich verstehe aber den Widerstand nicht, denn ich persönlich empfinde es als grosse Chance und grosses Glück, (und auch als ein interessantes Lernfeld), jemanden dabei zu unterstützen, sein Leben so leben zu können, wie er:sie es gerne möchte und halt auch dabei, glücklich zu sein trotz gewisser Schwierigkeiten.
Ich wünsche mir sehr stark, dass noch viel, viel mehr Inklusion passiert. Bzw das wird ganz bestimmt passieren. Was ich mir wünsche ist mehr Motivation und Freude dabei.
Es geht dabei in erster Linie nicht um uns, die uns um Inklusion bemühen und mithelfen, diese Ziele umzusetzen – und das sind wir ALLE. Es geht darum um die Menschen, die uns dabei wirklich brauchen. Wir machen das für sie. Jedenfalls in erster Linie. Was das aber in zweiter Linie für UNS bedeutet, da bin ich davon überzeugt, dass auch wir davon extrem viel profitieren könnten, wenn wir denn wollten…
Unsere Strukturen werden sich verändern (müssen) und das macht Angst und unsicher. Wir vergessen dabei manchmal, dass Veränderunge nicht von heute auf morgen stattfinden. Sie entwickeln sich langsam. Ein Baum wächst auch nicth von heute auf morgen zu einem ausgewachsenen, grossen Baum. Er wächst ganz langsam, stetig ein bisschen und es dauert seine Zeit, bis er gross ist. So ist das mit so grossen Veränderungen.
Ich hoffe, wir als Gesellschaft lassen sie geschehen und hören auf, Inklusion von Menschen, die jetzt eher am Rand stehen, als Aufwand und lästig anzusehen, sondern als Bereicherung und auch einfach als normal.
Dabei soll auch nicht vergessen werden, dass wir Menschen auch die Exklusion dieser Menschen praktiziert haben. Wir haben sie an den Rand oder ausserhalb des Randes gestellt und ganz vieles erbaut und entwickelt, was für sie nicht zugängig ist auf unterschiedlichen Ebenen und nun ist es unsere Pflicht, diese Einschränkungen aufzuheben und all diesen Menschen unsere Hand entgegen zu strecken, um sie wieder in unsere Mitte zu holen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in unserer Gesellschaft sehr einfach ist, ausgeschlossen zu werden. Man braucht dafür nicht zwingend Beeinträchtigung zu haben. Man kann auch einfach andere Lebensumstände haben oder ein bisschen anders sein als andere… Menschen achten sich sehr auf dieses „Normal“, auch wenn sie sich als aufgeschlossen und offen sehen.
Inklusion ist ein interessantes Thema. Mach mit.



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