Ich könnte übers Impfen schreiben, wenn ich wollte…


Ich könnte jetzt übers Impfen schreiben und darüber, wie Meinungen sich radikalisieren, aber es ist mir zu blöde. Ich glaube, dass sehr viele Menschen Meinungen zu diesem momentan aktuellen Thema haben, die relativ wenig von dieser Materie verstehen. Oder grad gar nichts, wenn man ehrlich ist. Schlussendlich bedeuten weder „meinen“ noch „glauben“ WISSEN. Ich nehme mich da nicht raus, ich weiss auch nichts darüber, denn ich habe weder Mikrobiologie noch Virologie studiert.

Ich weiss ganz schön viel in meinem Fachgebiet. Da bin ICH eine Expertin und da muss mir keiner dreinreden, egal ob er Virologe, Bundesrat oder selbsternannter Sozialpädagogik-Experte ist. Diskutieren kann man immer, klar, aber das ist dann auf einer sehr unausgeglichenen Ebene. Das geht dann eigentlich besser mit Menschen, die von diesem Themengebiet auch etwas verstehen. Dennoch können solche Diskussionen recht interessant sein und man kann davon profitieren. So geht es mir ja auch in Diskussionen über andere Themen. Etwas, das informativ ist, ist auch interessant. Etwas, das zum Denken anregt, ist inspirierend und wird dazu beitragen, unseren Horizont zu erweitern.

Mein Themengebiet ist jetzt ja nicht soooo komplex wie zB das eines Virologen. Wenn ich jemandem etwas erkläre, dann verstehen die das vermutlich einigermassen. Vielleicht haben sie eine andere Ansicht und das ist okay, denn es gibt verschiedene Wege, etwas anzugehen oder zu handeln. Wenn ich aber einen bestimmten Weg einschlage, hat dies auch einen Grund, denn ich verfüge nicht nur über Erfahrung, sondern auch über das notwendige Wissen auf diesem Gebiet. Ich kann meine Schritte ganz genau begründen.
Oberflächlich gesehen wissen viele ein bisschen Bescheid, schliesslich geht es ganz oft um zwischenmenschliche Dinge und um menschliches Verhalten. Tiefer greifend gesehen, weiss ich aber sehr viel mehr über Pädagogik, Sozialpädagogik, Psychologie und Psychopathologie, was andere nicht wissen. Wäre ja auch doof, wenn ich da keinen grösseren Wissenstand hätte, habe ich das alles doch jahrelang studiert und noch viel länger auf diesem Job gearbeitet.
So muss ich sagen, finde ich es auch nur so semi geil, wenn irgendwelche Menschen meinen, sie wüssten ganz genau Bescheid. Ich gehe davon aus, es geht euch da ganz ähnlich. Jeder ist in seinem Job ja die Expertin oder der Experte und weiss da einfach ganz genau, wovon er spricht. Sollte zumindest.
Ich finde eigentlich auch gar nicht, dass alle alles wissen müssen oder sollen. Und ich finde es viel ehrlicher, zu sagen, dass man nichts davon weiss oder nicht so viel und auch nicht den Anspruch an sich hat, dies zu müssen.

All die Menschen, die versuchen, uns durch diese Pandemie zu führen, haben dieses Fachwissen ja und auch die Erfahrung. Es wird wohl einen Grund geben, warum sie genau in diesen Jobs sind. Ihr Fachgebiet ist um einiges komplizierter und komplexer als meines. Diese Menschen versuchen nun seit 1,5 Jahren, uns recht komplizierte Dinge in einer möglichst einfachen Sprache zu erklären und es gibt Menschen, die ihnen das nicht glauben, aus welchen Gründen auch immer.

Für mich erscheint vieles recht logisch und ich mache mir meine Gedanken dazu. Ob ich mit allen Massnahmen einverstanden bin und ob sie für mich Sinn machen, kann ich nicht so richtig beurteilen, ich sehe das ja nur aus meiner Sicht und nicht ganzheitlich und objektiv, wie das sein sollte. Ich glaube, schlussendlich gehen wir alle am Ende von unseren eigenen Bedürfnissen aus. Die Massnahmen finden wir genau dort Scheisse, wo sie uns einschränken. Dort, wo es uns egal ist und wo sie andere einschränken, ist es für uns einfacher, sie zu akzeptieren. Das muss man aber unterscheiden. Ob einem etwas gefällt oder nicht oder ob etwas Sinn macht und zum Erfolg führt, das sind zwei total verschiedene Schuhe.

Wenn ich keine Fachperson auf einem Gebiet bin, dann vertraue ich denen, die das sind. Normal. Alle tun das. EIGENTLICH.
Sich an Fachpersonal zu halten, hat sich – zumindest für mich – schon immer bewährt. Wenn ein Gerät in der Wohnung defekt ist, verfüge ich nicht über das Wissen, was genau fehlt und wie es repariert werden muss. Ich überlasse dies einem Fachmann.
Wenn ich krank bin, lasse ich mich von einem Arzt untersuchen und gegebenenfalls behandeln. Es käme mir nie in den Sinn, dafür die Meinung zB eines Komikers und sei er auch noch so berühmt, einzuholen.
Bei Problemen mit meinem Auto frage ich gerne einen Automechaniker um Rat und wenn eines meiner Meerschweinchen krank ist, dann gehe ich mit ihm zur Tierärztin.
Ich könnte auch gut im Internet, zB bei Facebook fragen, was mir wohl fehlen könnte, wenn ich Kopfschmerzen und gleichzeitig den Krampf in der rechten Wade und Verstopfung habe und ganz bestimmt würden ganz viele Menschen ihren Kommentar, ihre Meinung, ihre Diagnose drunter schreiben. Natürlich auch gleich mit vielen Ratschlägen, was zu tun sei. Bestimmt wären auch einige dabei, die schrieben, sie seien Arzt oder hätten diese Symptome auch schon gehabt. (Früher hat man gesagt, „Papier nimmt alles an“. Und im Internet kann jeder ein Arzt sein oder was auch immer er sein möchte. Jede kann schreiben oder erzählen, was sie will und was daran wahr, ist, weiss man nie so genau.) Einige würden mich auslachen und irgendeine Scheisse in die Kommentarspalte rotzen. Und irgendeiner würde mir im Messenger schreiben, ich sei hübsch und er horny. Wenn ich Pech hätte, sogar mit Beweisfoto.
Ja, so läuft das. Egal, welches Thema aufkommt, es gibt zahlreiche Experten bzw. solche, die sich als Experten sehen. Experten zu egal welchem Thema. Zu jedem eigentlich. Sei es Corona, seien es die Impfungen, die Vorgehensweise, die Massnahmen, sei es Afghanistan oder Rassismus, Feminismus, Nagetierhaltung, Tierschutz, Erziehung und was auch immer.

Besonders interessant finde ich auch, dass plötzlich der Anspruch besteht, ganz genau wissen zu wollen, welche Inhaltsstoffe diese Impfung hat. Es ist wohl davon auszugehen, dass diese Personen auch ganz genau die Inhaltsstoffe ihrer Schmerztablette, der Antibabypille und des Hustensaftes kennen, den sie ihrem Kind geben, wenn es krank ist. Oder Coca Cola, Mars, die Fertigpizza, Sonnencreme, Kaugummi oder Schokoladenpudding aus dem Kühlregal.
Ich nicht.

Ich habe oft darüber geschrieben, wie gefährlich und ungesund ich es finde, wenn Menschen sich radikalisieren. Das geschieht momentan sehr oft, finde ich. Es sind schwierige Zeiten. Millionen von Menschen müssten am selben Strick ziehen, um dieses Problem zu lösen. Dass das nicht klappt, kommt ja auch nicht überraschend, denn das ist ein riesiges Ausmass. Meistens klappt das ja nicht mal im Kleinen. In einer Familie, einer Firma, einer Nachbarschaft…

Ich finde, es geht um Verantwortung. Für mich jedenfalls Es geht nicht darum, sich impfen zu lassen oder es nicht zu tun. Es geht darum, sich für etwas zu entscheiden und dann halt auch dahinter zu stehen.
Hinter etwas – oder in diesem Fall hinter dieser Entscheidung – zu stehen bedeutet für mich, die Konsequenzen zu tragen.
Ich zB bin geimpft. Ich habe mich nicht impfen lassen, weil ich dumm bin und den andern Schafen hinterher springe, nein. Aber ich muss mir das immer wieder mal anhören. Ich bin ja der Meinung, dass man genau dann beginnt, andere zu beleidigen und respektlos zu behandeln, wenn man überfordert ist und einem die Argumente ausgegangen sind. Das gehört für mich unter anderem zum zu sich und zu seiner Entscheidung stehen. Das tut man, indem man wenn nötig begründet (ich finde es nicht mal nötig) und nicht, indem man die, die anders entschieden haben, runter macht.
Ich habe jedenfalls noch nie jemanden beleidigt, der nicht geimpft ist. Ich muss ehrlich sagen, ich bin nicht mal scharf drauf, darüber zu reden.

Mir ist es ganz ehrlich scheiss-egal, wer nicht impft und warum das so ist. Warum würde ich das wissen wollen? Was würde es mir bringen? Und würde ich dann diskutieren und versuchen, jemanden zum Impfen zu überreden? Nein. Und umgekehrt funktioniert das sowieso nicht. Was soll es bringen, mit mir über das Impfen zu diskutieren, zu versuchen es mir abspenstig zu machen? Soll ich meine Meinung ändern und diesen Impfstoff wieder aus mir raus pressen?
Also… es ist umsonst, man kann sich seine Nerven und die Geduld für etwas anderes sparen, das ist sinnvoller.

Betreffend Konsequenzen habe ich gewusst, dass ich danach nicht einfach „frei“ sein werde, denn es gilt nun, diejenigen zu schützen, die nicht geimpft sind. Ich trage weiterhin Maske und verhalte mich den Massnahmen entsprechend, nur nun halt nicht mehr nur für mich, sondern vor allem für andere und vor allen Dingen auch für die Kinder, die ja ungeschützt sind.
Andere Konsequenzen habe ich nicht.

Die Konsequenzen des Nicht-Impfens sind unter anderem, dass man einen schweren Krankheitsverlauf in Kauf nimmt. Passiert auch nicht extrem oft, aber kann passieren. Man hat ein viel grösseres Risiko, sich anzustecken als eine nicht geimpfte Person und trägt das Virus länger mit sich rum, ist also länger ansteckend. Leider ist es so, dass diesen Konsequenzen dann nicht nur die betroffene Person, sondern auch ihr Umfeld ausgesetzt ist. Und im schlimmsten Fall das überstrapazierte Gesundheitspersonal in den Krankenhäusern und dann möglicherweise auch andere Notfall-Patienten, die auf eine Behandlung warten müssen und möglicherweise sterben. Das kann dann jeden treffen. Ein Herzinfarkt, ein Unfall, ein Hirnschlag, Krebs, Komplikationen nach einer Operation usw…

All dies sind Konsequenzen, die ich persönlich nicht tragen will. Aus verschiedenen Gründen.

Offensichtlich habe ich nun also doch übers Impfen geschrieben…

Bleibt gesund und passt auf euch und aufeinander auf. Bisschen anständig miteinander umzugehen würde auch nichts schaden.



4 Antworten zu „Ich könnte übers Impfen schreiben, wenn ich wollte…”.

  1. Ist es wirklich so ganz scheiß – egal, ob der andere, der gerade mit einem spricht und vielleicht noch, weil er seine Mitteilungen wichtig findet, immer näher kommt, lauter wird, geimpft ist oder nicht? Habe ich seine Daten und seine schriftliche Zusage, dass er meine Krankenhauskosten übernimmt, auch die Beerdigungskosten, auch eine noch festzusetzende Summe, ein Blutgeld wie in alten Zeiten, an die Angehörigen? Oder wer gab ihm das Recht, mich oder beliebige andere mit einer Krankheit anzustecken, gegen die Vorbeugung möglich ist?
    Ungeimpfte, Impfgegner führen das Wort Freiheit im Munde. Was ist mit der Freiheit für die, die lieber auf diese potentiell tödliche Krankheit verzichten wollen?

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  2. Ich weiss nicht, in welchem Land du bist. Ich habe den Eindruck, dass bei uns der Bundesrat gut beraten wird. Natürlich gehen aber die Interessen der Wirtschaft und des Gesundheitswesens auseinander.

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  3. Wer ist Experte für Pandemien: ein Bankkaufmann und Pharmalobbyist als Gesundheitsminister oder eher doch die nicht gehörten und vielfach gelöschten, sehr erfahrenen Epidemiologen Bhakdi und Wodarg?

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  4. Auch ich bin geimpft, obgleich ich nie viel von Impfungen gehalten habe, stets auf einem gut funktionierenden Immunsystem vertraut habe. Ich habe meine Meinung geändert, angesichts der Umstände, in erster Linie so, wie du es ebenfalls schreibst, ich vertraue den entspechenden Fakultäten in ihrer Gesamtheit, habe selbst ein fundamentale technische und naturwissenschaftliche Ausbildung. Auch habe ich mich nicht impfen lassen, um irgendwelche Privilegien zu genießen, sondern um gesund zu bleiben.

    Das alles hat eine persönliche Ebene und eine gesamt-gesellschaftliche Ebene, und ja, es hat auch etwas mit Verantwortung zu tun, genau. Selbst diskutiere ich allerdings nicht mehr mit Impfgegern, die eine Immunisierung nur kraft ihrer Meinung ablehnen, ohne medizinische Indikation. Mein Eindruck ist, unser Land teilt sich in 80-20 oder 85-15 auf, in etwa. Die Minderheit allerdings ist extrem laut. Außer Lautstärke haben diese nicht zu bieten, sie verhalten sich so, wie die Menschen vor 1000 Jahren schon. Sündenböcke und Verschwörungen anstelle Vertrauen und klarer Verstand. Das ist es, was mich zu Beginn der Pandemie entsetzt hat, die bodenlose Dummheit eines nicht eben verschwindend kleinen Teiles meiner Mitmenschen hier, ich dachte tatsächlich, wir hätten dies überwunden. Mittlerweile lebe ich gut damit, die Welt ist eben so, wie sie ist. Ein Gutes hat diese ganze Angelegenheit – ich sehe viele Menschen mit anderen Augen als zuvor, habe mich auch schon von langjährigen guten Bekannten und Freunden getrennt, weil diese sich im Zuge der Pandemie politisch radikalisiert haben. Jer, wie er möchte, aber dann ohne mich.

    Ich danke dir für deine klare Haltung und für ihre Darlegung hier, sie entspricht genau dem, was ich denke.

    Lieben Gruß, Reiner

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