Ich lese immer mal wieder von Leuten, die von Alleinerziehenden schreiben, die das selbst so gewählt hätten. Dass alleinerziehend zu leben, sozusagen ihre bewusste Entscheidung war.
Und ich muss ehrlich sagen, ich frage mich, wie das geht. Ich stelle es mir so vor, dass dann die Frau (kann aber ja auch der Mann sein) irgendwann sagt: „Ich will lieber allein unsere Kinder aufziehen. Dieses Verheiratet-Sein ist gar nicht meins und dieses Zusammen-Erziehen auch nicht. Mann, verpiss dich. Juhuiiiii!“….
(Und alles was ich jetzt hier über Frauen schreibe, kann ebenso gut in der Rolle des Vaters passieren).
Gibt es das überhaupt? Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen.
Ist es selbst gewählt, wenn die Frau eine Beziehung beendet, aus welchen Gründen auch immer und dann halt in Kauf nimmt – als logische Folge -, dann mit den Kindern allein zu sein?
Ist es selbst gewählt, wenn eine Frau den Mann verlässt, weil sie betrogen oder misshandelt wurde? Natürlich auch wieder mit der logischen Konsequenz, danach allein zu sein mit den Kindern.
Ist es selbst gewählt, wenn eine nicht mehr funktionierende Beziehung auseinander geht? Wenn man nicht mehr leiden will? Wieder glücklich sein will?
Ist es selbst gewählt, wenn eine Frau z.B. ihren Mann betrügt und die Ehe daraufhin auseinander geht?
Und es gibt auch Frauen, die verlassen werden. Oder deren Ehepartner stirbt oder erkrankt.
… Und welche Folgen für das weitere Leben hat denn nun diese Lebensform? Das ist ein grosses Thema. Ein anderes.
Ich möchte behaupten, dass in den meisten Fällen einer Trennung bereits eine wahnsinnig schwierige Zeit voraus gegangen ist. Monate, manchmal Jahre…
Das erzählen viele niemandem. Das hat seine Gründe… man will sich wohl schützen, man will nicht zum Ziel von Klatsch und Tratsch werden, man will seinen Ehepartner nicht wütend machen, man versucht die Familie zusammen zu halten, man hofft usw…
Die Entscheidung zur Trennung kann von beiden gemeinsam getroffen werden oder nur von einem. In diesem Fall gibt es eine entscheidende Person und eine, über die entschieden wird. Ich gehe davon aus, dann keiner die Entscheidung leichtsinnig fällt, denn es geht um viel.
Ich muss ganz ehrlich sagen, diese Aussage von der „selbst gewählten Alleinerziehenden“, die macht mich schon manchmal wütend. Ich will mich da natürlich nicht in der Opferrolle sehen, dazu gibt es keinen Grund. Und doch ist das nun eine Lebensform, die ich so nicht gewollt habe. Das ist eigentlich für mich entschieden worden, ohne dass ich das mitbestimmen konnte. Und ja, ich gebe es zu, ich hadere schon manchmal noch damit. Ich glaube, es braucht einfach seine Zeit. Ich bin nicht unzufrieden und zurück möchte ich auch auf gar keinen Fall. Und doch habe ich mir gewünscht, dass einfach alles gut wird. Ich habe mir eine Familie gewünscht. Vermutlich ganz besonders stark, weil meine sogenannte Herkunftsfamilie schon lange nicht mehr existiert, da meine Eltern ja relativ jung gestorben sind. Ich habe mir nicht nur diese neue Familie so sehr gewünscht, ich hätte sie auch sooo sehr gebraucht.
Also.
Ich denke, dass Paare, die zusammen ein Kind bekommen, sich das wohl in den meisten Fällen gut überlegen. Also, dass es ein bewusster Entscheid oder auch ein Wunsch ist, zusammen zu bleiben und zusammen diese Kinder gross zu ziehen, für die Familie zu sorgen usw. Ich bin ganz sicher, dass sich das alle wünschen.
Und es klappt bei vielen nicht, ich glaube etwa jede dritte Ehe wird geschieden. Es kommt nicht auf die Umstände oder Gründe an, es ist einfach so. Ich hätte wirklich nie, NIE gedacht, dass es bei mir soweit kommt. Nie. Niemand denkt, dass es ihn trifft. Das ist doch bei allem so, es sind immer die andern…
Ich bin so ziemlich überzeugt, dass sich niemand wünscht, dann plötzlich oder auch nicht plötzlich allein da zu stehen. Das ist nicht schön, wirklich nicht. Es ist ja nicht nur diese Beziehung, die auseinander geht, es ist noch viel mehr. Es ist der Zusammenbruch so ziemlich aller Zukunftsvisionen, eigentlich so ziemlich des ganzen Lebens, so wie man es sich vorgestellt und woran man gearbeitet hat. Es bringt Sorgen mit sich. Ängste. Ziemlich viel Zeitdruck und Stress. Erschöpfung. Vielleicht Einsamkeit, obwohl man irgendwo eingebettet ist. Finanzielle Engpässe. Die alleinige Auseinandersetzung mit allen anfallenden Themen und Situationen. Veränderung des Lebensstandards. usw
Natürlich kann es unter Umständen auch befreiend sein, nicht mehr in einer nicht-mehr-funktionierenden Beziehung verweilen zu „müssen“.
Wie auch immer…
Wenn wir sagen, dass alleinerziehend sein etwas ist, das selbst gewählt (oder noch besser: selbst verschuldet) ist, dann dürfen eigentlich Leute, die das so nicht wollen, auf gar keinen Fall mehr Kinder bekommen, denn die Gefahr ist zu gross, dass dieser Fall eintreffen könnte…
Und ich finde, Leute dürfen ruhig auch nachdenken, bevor sie zB sowas sagen.