Am ersten Sonntag im Oktober


Am ersten Sonntag im Oktober findet das Jahrzeit für meine Eltern statt. Und obwohl ich nicht besonders religiös bin, ist mir das wichtig.

Als ich noch ein Kind war, hat meine Grossmutter oft solche Geschichten erzählt. Geschichten, von armen Seelen – so nannte sie sie – die keine Ruhe fanden und herumgeisterten. Ich glaube, das waren wahre Geschichten. Jedenfalls habe ich damals jedes Wort davon geglaubt und irgendwie glaube ich das heute immer noch. Irgendwas war da auf jeden Fall, erfunden hat sie das nicht. Und wenn es damals irgendwo „gespukt“ hat, hat man in der Kirche für diese verstorbene Person eine Messe gelesen, damit sie den Frieden findet und irgendwann war Ruhe. Und ich glaube, das Jahrzeit hat den gleichen Grund. 

Seit sie gross (alt) genug ist, gehe ich an diesem Sonntagmorgen mit meiner Tochter in die Kirche. Bei den meisten Familien wird das Jahrzeit als Familientreffen genutzt, alle treffen sich, gehen gemeinsam in die Kirche und danach essen. Bei uns kommt ausser uns zweien niemand. Wir haben schon Verwandte, aber niemanden hier in der Nähe, ausser meinem Bruder. Onkel und Tanten sind alt geworden, können zum Teil nicht mehr Auto fahren oder der weite Weg wäre zu beschwerlich. Ihre Kinder, längst erwachsen, interessiert das alles wohl weniger. Ich verstehe das schon, das soll kein Vorwurf sein. 

Also sitze ich einmal im Jahr in der Kirche, mein Kind neben mir. Und ich fühle mich allein. Wenn meine September-Krise bis dahin noch nicht da war, kommt sie in diesem Moment. Aber sie ist schon da dieses Jahr. Eine alte Bekannte, die mich für ein paar Tage mit ihren kalten Fingern umschlossen hält. Mir das Herz abdrückt, bis es überläuft und mir aus den Augen fliesst. Ich bin empfindlich, besonders was zwischenmenschliche Dinge betrifft. Aber es geht wieder vorbei. Es geht bald wieder…

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