„Es war doch nur ein Witz!“


Es gibt so viele Erinnerungen, die einfach irgendwo in uns schlummern. Irgendwie präsent sind ohne wirklich präsent zu sein. Ich glaube, manchme von ihnen möchten wir lieber im Untergrund belassen.
Es gibt ja auch Dinge, die erzählt man nie jemandem. Warum auch immer. Man wird wohl schon seine Gründe dafür haben.

Ich war etwa siebzehn oder achtzehn. Meine Freundin und ich sassen hinten in einem Auto. Die Vordersitze gehörten zwei Jungs, die wir nur zwar kannten, aber nicht so richtig gut. Der eine durfte schon fahren, war also wohl ein, zwei Jahre älter als wir. Es war so ein Auto, bei dem es hinten keine Türen hat. Eines, wo man hinten nur raus kommt, wenn vorne jemand den Sitz nach vorne klappt und seine Vordertür öffnet.

Wir waren unterwegs. Wohin, weiss ich nicht mehr. Aber ich weiss noch, was dann passierte.
Naja, es passierte ja eigentlich nicht. Nur Worte.

Sie begannen, über Sex zu reden. Eher so indirekt. Anspielungen halt. Und Sprüche. „Wir könnten doch jetzt irgendwo an einem abgelegenen Platz anzuhalten.“. Sowas halt.
Ich fühlte mich unwohl und ich hatte auch Angst. Scherzten sie? Waren es nur Sprüche? Ich muss ganz ehrlich sagen, es wird wohl seine Gründe haben, dass ich mich Jahrzehnte später noch daran erinnere, denn ich hatte tatsächlich richtig Angst. Wir konnten ja auch nicht aus dem Auto raus, wir waren da irgendwie wie gefangen.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie meine Freundin reagierte. Ich glaube, sie hat ihre Unsicherheit mit Sprüchen überdeckt, wie sie es oft tat. Ich nicht. Ich hatte keine Maske dafür. Ich hatte einfach Angst. Und ich glaube, ich habe damals ein riesen Theater gemacht, bis sie uns rausliessen.
Und sie lachten mich aus.

Aber weisst du was?
Es war nicht lustig. Es war nicht harmlos. Es war nicht nur ein Scherz. Es war eine Situation, in der zwei Männer ihre Macht ausgespielt haben, gegenüber zwei jungen Frauen, die keine Möglichkeit zum Ausstieg hatten.

Das ist übergriffig.

Und ich frage mich heute: Wie viele solcher Situationen gibt es? Wie viele dieser „kleinen“ Geschichten werden nie erzählt, weil sie „nichts Schlimmes“ waren? Normal?
Wie viele Männer sind oder waren Täter – ohne dass jemand das Wort ausspricht?
Und wie oft machen andere Frauen das dann auch noch über die Angst oder das Wehren anderer Frauen lächerlich, statt zu sagen: Ich sehe dich. Ich glaube dir. Und das ist nicht okay.

Ich glaube tatsächlich, den beiden war nicht bewusst, dass das was sie tun, nicht okay ist. Ich glaube auch nicht, dass sie uns etwas tun wollten. Ich denke, sie wussten einfach nicht, dass eine Vergewaltigung tatsächlich eine sehr reale Angst von Frauen ist. Und dass darüber scherzen wirklich nicht lustig ist.
Ich glaube auch, dass Männer sich in diese Angst überhaupt nicht hinein versetzen können. Die meisten zumindest.
Müssen sie auch nicht. Es würde reichen, wenn sie davon wüssten, es ernst nehmen und solche Situationen nicht bewusst unbewusst oder unbedacht herbei führen würden…

Ich würde sagen, die meisten Frauen könnten solche oder ähnliche Geschichten erzählen. Wäre gut, wenn sich das ändern würde.

PS ich WEISS, dass das nur Spass war. Ich weiss es, ja. Aber ist es denn tatsächlich lustig?

4 Antworten zu „„Es war doch nur ein Witz!“”.

  1. Ich bin in dem Alter von meinem besten Freund vergewaltigt worden.
    Ich habe den nie angezeigt.
    Der wusste schon was Er getan hatte.
    Mit dem wollte selbst seine damals hochschwangere Freundin nichts mehr zu tun haben.
    Ich weiß genau warum das damals passierte.
    Trotzdem unmöglich wenn sowas passiert weil der eine was von Dir will und der andere nicht.
    Die jungen Männer waren vetmutlich sehr unbeholfen was Euch 2 jungen Mädchen anging.
    Und sagen das Sie Euch mögen oder gut finden geht ja so gar nicht.🤣
    Die Blöße kann man sich doch nicht geben.
    Lieber unbewusst Schwachsinn daher reden.
    Ich glaube Dir, ich hätte in dem Alter vermutlich auch Angst gehabt und Terz gemacht.
    Ich bin mal vom Obermaker im Dorf aus dem Nachbardorf per Anhalter in seiner Corvette mitgenommen worden.
    Aber auf meine Bitte hin nicht bis nach Hause.
    Das hätte richtig Stress gegeben.
    Merkwürdigerweise hatte ich so gar keine Angst, obwohl ich wusste dass Er mich ganz niedlich findet oder mehr als das.
    Angeblich soll Er damals schon ein Zuhälter gewesen sein.
    Keine Ahnung vorstellbar ist es.
    Wer sich sonst mit Anfang 20 so nen Schlitten leisten kann.
    Zumindest kam ich so in den Genuß der amerikanischen Karre…😀

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  2. Damals wie heute werden meiner Meinung nach oft übergriffige Dinge gesagt, wenn der Gegenüber dann nicht wie erwartet reagiert wird es als Scherz abgetan- damit man seine Maske nicht verliert… Damals wie heute habe ich leider oft das Gefühl das Worte einfach so über die Lippen geschoben werden, ohne das jemand groß darüber nachdenkt was er mit seinen Worten bei dem Gegenüber anrichten könnte…leider

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  3. Ich denke das auch. Bestimmt wollten sie uns nichts tun.
    Ob die und scharf 😆 fanden, weiss ich nicht, aber vielleicht auch ein wenig ein Machtspiel.
    Aber tatsächlich hatte ich wirklich Angst.

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  4. Ich verstehe Dich vollkommen. Aber ich denke, es war damals – aus Sicht der jungen Männer – ein Versuch, Euch zu zeigen, wie scharf sie Euch fanden. Dass es zu einer Vergewaltigung gekommen wäre, glaube ich weniger. Eher plumpe Versuche, Euch „heiß“ zu machen… wie gesagt: plump. „Damals“ gab es noch kein solches Bewusstsein für Übergriffigkeit. Aber deswegen mache ich den beiden keinen Vorwurf. Die Menschheit entwickelt sich eben immer noch weiter und weiter… In der Steinzeit hat noch niemand so weit gedacht, wie heute.
    Das soll jetzt keine Entschuldigung für deren Handeln sein. Eher nur meine bescheidene Sichtweise, denn: ich verstehe Dich aus Deiner Sicht 😉
    Auch ich habe – als Mann – in jungen Jahren Übergriffigkeit erlebt, daher denke ich, dass ich bei diesen Themen mitreden kann…

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.