Drei kleine Superhelden und der letzte Tag des Jahres


Der letzte Tag des Jahres begann ganz still und normal. Kein Wind bewegte die Zweige im Garten, keine Amsel sang und sogar der Himmel wirkte, als hätte er den Atem angehalten.
Es lag wohl am Winter. Auch wenn bisher noch kein Schnee gefallen war, schienen die Natur und auch die Menschen etwas ruhiger zu sein in dieser Zeit.

Arja sass still im Gehege und lauschte. Ihr langes, schneeweisses Fell bewegte sich kaum.
„Hört ihr das?“ flüsterte sie.
Jimmy spitzte die Ohren und auch Tina hob ihr Wuschelköpfchen.
„Es ist so ruhig“ sagte Tina nachdenklich. „Fast so, als würde das Jahr zuhören und uns Lebewesen beobachten.“

Jimmy nickte langsam. „Vielleicht will es wissen, wie es uns gegangen ist.“
Die drei Meerschweinchen setzten sich dicht nebeneinander ins weiche Heu. Der Boden war kalt, aber ihre Nähe wärmte.

„Dieses Jahr war erlebnisreich“ sagte Arja leise.
„Es gab Sonne. Und Regen. Und Momente, in denen wir mutig waren, obwohl wir Angst hatten.“
Tina lächelte. „Ich erinnere mich an den grossen Regen. Ich hatte Angst, aber wir waren zusammen.“ (Und sie dachte leise an die traurigen Momente des Jahres. An die Verluste. An den 6. September, an dem sie im richtigen Leben gestorben ist…)
Jimmy dachte kurz nach. „Und an die vielen Tage, an denen wir andern Tieren geholfen haben. Da habe ich mich stark und glücklich gefühlt.“

Sie erzählten einander von kleinen Dingen, die sie glücklich machten:
– vom Duft der Erde
– vom Rascheln der Blätter
– vom warmen Licht an einem frühen Morgen
– von ganz vielen Tierbegegnungen
– von der lieben Menschenfamilie im Haus

Nicht alles war leicht gewesen. Aber alles hatte zu ihnen gehört. Sie erinnerten sich daran, dass Jimmy krank war und an die unbeliebten Tierarzt-Besuche. Daran, dass das Wespennest im Gehege ihnen Angst gemacht hatte und wie eine die Menschen-Mama sogar gestochen hatte.

Als die Sonne langsam unterging, färbte sich der Himmel orange und violett. Der Mond zeigte sich früh, rund und ruhig.

„Der Mond passt wie immer auf uns auf“ sagte Arja.
„Er weiss, dass heute Abschied vom alten Jahr ist.“

Sie schwiegen eine Weile und sahen hinauf. Man musste nichts sagen, alle drei verweilten in den eigenen Gedanken.
Später, als es ganz dunkel wurde, hörten sie in der Ferne die Menschen. Lachen. Stimmen. Musik. Ein Knallen von weiter weg.

Jimmy zuckte kurz zusammen.
„Die feiern laut.“
„Wir nicht“ sagte Tina sanft. „Wir feiern leise.“
Sie kuschelten sich enger zusammen und bei ihnen im Garten war es ganz still. Sie schauten zum Haus und sahen die Menschen-Mama und das Mädchen durchs Fenster. Sie sassen am Tisch und spielten ein Spiel. Auch sie mochten solche besonderen Augenblicke lieber ruhig und zusammen.

Und irgendwo zwischen den Sternen legte sich das alte Jahr zur Ruhe – zufrieden, weil es gesehen und ausgiebig gelebt worden war.
In ein paar Stunden würde ein neues beginnen. Eines voller noch unbeschriebener Blätter…

Hinterlasse einen Kommentar

About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.