
Hier jetzt noch der vierte Text, zu dem mich das Buch „Aspergers Schüler“ von Laura Baldini inspiriert hat. Bzw es hat einfach mein Interesse geweckt, noch ein bisschen mehr über diese Themen zu lesen.
Man möge denken, das alles sei längst vorbei und vergessen, aber das stimmt nicht wirklich. Wir hören überall, dass rechtsradikale Gesinnung Aufschwung hat. Und Euthanasie IST Teil dieser Gesinnung, da gibt es kein „aber“ und kein Schön-Reden.
Ich persönlich bin sehr berührt von diesen Themen.
Ich kenne wirklich sehr viele Menschen, persönlich wie auch beruflich, die dem Euthanasie-Programm zum Opfer fallen würden, wäre es heute 1940 statt 2025.
Und ihr kennt auch viele Menschen oder möglicherweise, wärt ihr sogar selbst in Gefahr. Eine chronische Krankheit, eine schwere Krankheit, eine psychische, körperliche oder kognitive Beeinträchtigung…
Möglicherweise würden sie von Zuhause weggerissen, ohne dass Eltern oder Angehörigen wüssten, wohin. Und irgendwann käme ein Brief, in dem mitgeteilt würde, dass die Tochter, der Sohn oder der Onkel leider an einer Lungenentzündung verstorben sei.
Real ist er oder sie entweder vergast worden oder er / sie wurde mit einer Überdosis von Medikamenten getötet.
Viele starben sofort, ich habe aber auch von Menschen gelesen, die langsam dahingestorben sind, sediert und sehr krank gemacht durch diese Medikamente, konnten nicht mehr essen oder trinken und verstarben irgendwann an Schwäche oder verhungerten.
An ihnen wurden Versuche gemacht, Medikamente getestet. Vor und auch nach ihrem Tod…
Ich glaube, da gab es keine Grenzen, moralische schon gar nicht…
Ich habe in meinen letzten Texten immer wieder vom Euthanasie-Programm T4 geschrieben und wollte dem nun noch nachgehen. Was bedeutet der Name T4 eigentlich genau?
Voilà:
Das sogenannte Euthanasie-Programm T4 war eines der grausamsten Kapitel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Es wurde kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in Gang gesetzt und hatte ein perfides Ziel: Die systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen.
Menschenleben wurden nach dem Kriterium von „Nützlichkeit“ bewertet und jene, die nicht in das Weltbild der Nazis passten, wurden ausgelöscht. Nichtlebenswertes Leben.
Der Name T4 stammt von der Adresse der zentralen Planungsstelle in Berlin: Tiergartenstrasse 4. Von dort aus wurde das gesamte Programm organisiert. Streng geheim, versteckt hinter harmlosen Tarnnamen wie „Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege“. Tatsächlich war T4 ein staatlich geplantes und medizinisch durchgeführtes Mordprogramm.
Die Opfer waren Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in Heimen, Kliniken oder Pflegeanstalten lebten oder eingeliefert wurden, weil sie von jemandem gemeldet wurden.
Viele wurden durch Meldebögen erfasst, ausgefüllt von Ärzten oder Pflegekräften und dann von sogenannten Gutachtern beurteilt. Ein Kreuz auf dem Formular konnte ihr Todesurteil bedeuten. Eigentlich war es meistens eine reine Aktenentscheidung, ohne dass die Person je gesehen wurde.
Die Ermordungen wurden auf verschiedene Arten durchgeführt: Anfangs wurden viele Menschen mit Medikamenten überdosiert oder verhungern gelassen.
Später wurden in mehreren Anstalten speziell ausgerüstete Gaskammern eingerichtet, in denen Menschen in Gruppen ermordet wurden. Eine grausige Vorstufe zu den industriellen Morden in den Vernichtungslagern.
Schätzungen zufolge fielen dem T4-Programm rund 70’000 Menschen zum Opfer, allein in der ersten Phase bis 1941. Nachdem es aufgrund wachsender öffentlicher Kritik offiziell gestoppt wurde, ging es danach heimlich weiter. Die Tötungen wurden dezentralisiert, weniger auffällig, aber nicht weniger grausam. Insgesamt starben über 200’000 Menschen durch die sogenannte Euthanasie im Dritten Reich.
Das Wort Euthanasie wurde von den Nationalsozialisten zynisch missbraucht. Es ging nie um Hilfe, nie um Erleichterung, sondern einzig um Ausgrenzung, Entwertung, Entmenschlichung und Mord. Die Täter waren nicht nur SS-Männer, sondern auch Ärzte, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte… Menschen mitten aus der Gesellschaft.
T4 war kein dunkles Geheimnis einer kleinen Elite. Es war eine staatlich gesteuerte Vernichtungsmaschinerie, bei der viele mitgemacht, weggesehen oder geschwiegen haben. Und es war der Beginn dessen, was später in den Lagern von Auschwitz, Treblinka oder Sobibor zur monströsen Realität wurde: die systematische Ermordung von Menschen, weil sie als „lebensunwert“ galten.
Bis heute erinnert der Name Tiergartenstrasse 4 an diesen kalten Schreibtischmord. Eine Gedenkstätte in Berlin erinnert an die Opfer. Und an die Verantwortung, die wir alle tragen, damit sich solch ein Denken nie wieder Bahn bricht. In keiner Gesellschaft, unter keinem Vorwand, auf gar keinen Fall.
Ich habe manchmal das Gefühl, es wird schon jetzt wieder viel ausgeblendet… Das ist gefährlich.
Wenn es dich interessiert siehe auch
Ich möchte euch Hans Asperger vorstellen
Ich möchte euch Dr. Erwin Jekelius vorstellen
Kinderklinik Am Spiegelgrund, Wien


Hinterlasse einen Kommentar