
Hans Asperger.
Ein Name, der bis heute eng mit dem Autismus-Spektrum verbunden ist. Lange Zeit galt er als Pionier der Heilpädagogik, als der Arzt, der eine Gruppe von Kindern beschrieb, die man später als Menschen mit Asperger-Syndrom kannte.
Die Zeit, in der er lebte und praktizierte, war natürlich geprägt von einer Haltung gegenüber von Menschen mit einer Krankheit. oder Beeinträchtigung oder auch in Bezug auf Kinder-Erziehung.
In den 1940er Jahren beobachtete er Kinder, die in einzelnen Bereichen aussergewöhnlich begabt waren, dabei aber grosse Schwierigkeiten im sozialen Miteinander hatten. Asperger sah wohl so ziemlich als Erster in diesen Kindern nicht nur ihre Defizite, sondern auch ihre besonderen Fähigkeiten. Er sprach davon, dass sie oft „ungeheure geistige Möglichkeiten“ hätten. Dieses Potential (und dessen Nutzung natürlich) interessierte ihn.
Damit legte er den Grundstein für eine andere Sicht auf Autismus. Weg von der reinen Störung, als die es bis dahin gesehen wurde, hin zu einer anderen Art, die Welt zu erleben. Einer anderen Art der Wahrnehmung und all den Ressourcen und Fähigkeiten, statt nur den Schwierigkeiten.
Ich glaube, da hat er auch tatsächlich wichtige Arbeit geleistet.
Und doch ist man sehr hin- und hergerissen, was man von ihm halten mag, wenn man sich genauer mit Aspergers Biografie befasst hat.
Das Bild Aspergers ist bei weitem nicht nur das eines verständnisvollen Kinderarztes. Hans Asperger war ein Nazi.
In der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete er in Wien in einem System, das die Ermordung kranker und behinderter Kinder organisierte und auch durchführte. Er war Teil der Heilpädagogischen Abteilung an der Universitätsklinik und eng mit der berüchtigten Kinderklinik „Am Spiegelgrund“ vernetzt, die ein Zentrum der NS-Kinder-Euthanasie war.
Neuere Forschungen zeigen, dass Asperger Kinder, die er als „nicht bildungsfähig“ einstufte an solche Einrichtungen überwies, obwohl er wusste, was dort mit ihnen passieren würde. So hat er sich dem Regime loyal angepasst und das tödliche System unterstützt.
Nach dem Krieg blieb Asperger in Wien tätig. Seine Arbeit geriet zunächst in Vergessenheit, bis in den 1980er Jahren die britische Psychiaterin Lorna Wing den Begriff „Asperger-Syndrom“ prägte. Für viele Autistinnen und Autisten weltweit bedeutete diese Diagnose eine Möglichkeit, sich selbst besser zu verstehen, jenseits des Vorurteils, Autismus sei nur Defizit.
Es bleibt ein Vermächtnis voller Widersprüche: Hans Asperger half, Autismus sichtbar zu machen, doch er tat dies in einer Zeit, in der Kinder mit Behinderungen zugleich brutal ermordet wurden.
Sein Leben mahnt uns daran, dass wissenschaftlicher Fortschritt und ethisches Handeln immer zusammengehören. Geschichte ist selten schwarz oder weiss, sondern oft beides zugleich.
Ich lese gerade ein Buch über die Geschichte Aspergers und des Autismus und werde später auch noch einen Text schreiben über diese Kinderklinik Am Spiegelgrund, eventuell auch noch über einen anderen Arzt, Erwin Jekelius, der dort tätig war und in die Geschichte eingegangen als Arzt, der hunderte Säuglinge und Kinder getötet hat im Rahmen dieser Euthanasie-Programme.
Es ist wirklich ganz furchtbar, was da alles passiert ist und ich finde es wichtig, dass wir das wissen, denn wir leben in einer Zeit, in der Rechtspopulismus Aufschwung hat. Und diese Menschen vertreten genau solche Ideologien…


Hinterlasse einen Kommentar