
Judith Scott war eine aussergewöhnliche Künstlerin und eine Frau, deren Lebensgeschichte uns zeigt, wieviel kreative Kraft in jedem Menschen stecken kann, auch wenn sie oft übersehen wird.
Judith wurde 1943 in Ohio, USA, geboren, zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Joyce.
Judith kam mit Down-Syndrom zur Welt und verlor als kleines Kind auch noch ihr Gehör. Etwas, was für eine sehr, sehr lange Zeit niemand bemerkte. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich glaube, man wurde sich dessen erst bewusst, als sie bereits erwachsen war.
Weil man sie für „unbeschulbar“ hielt, wuchs sie jahrzehntelang in einer Institution auf, abgeschnitten von ihrer Zwillingsschwester Joyce, die sie über alles liebte, und von der ganzen Welt. Sehr still und einsam.
Erst mit über vierzig Jahren (1985) änderte sich Judiths Leben radikal: Ihre Schwester Joyce wurde ihre gesetzliche Beiständin, holte sie zu sich und meldete sie bei Creative Growth in Kalifornien an, einem Kunstzentrum für Menschen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung. Dort fand Judith Scott endlich, was ihr Leben nun erfüllen sollte: die Kunst.
Das war 1987.

Fast zwei Jahre lang zeigte Judith kaum Interesse, bis sie an einem Workshop für Textilkunst teilnehmen konnte. Dort begann sie, mit Garn, Stoffen, Wolle, Fäden und gefundenen Gegenständen zu arbeiten. Sie umwickelte, umschloss, versteckte. Aus scheinbar alltäglichen Dingen entstanden geheimnisvolle Skulpturen, oft gross, bunt und zugleich rätselhaft. Niemand weiss genau, was Judith mit ihren Kunstwerken ausdrücken wollte. Vielleicht war es ihre ganz eigene Sprache, um mit der Welt in Kontakt zu treten, um sich auszudrücken.
Von ca. 1988 bis 2005 arbeitete sie täglich, fünf Tage die Woche, an ihrer Kunst. In dieser Zeit entstanden mehr als 200 einzigartige, teils sehr grosse Skulpturen, an denen sie oft monatelang arbeitete.
Ihre Skulpturen wurden bald weltweit bekannt, ausgestellt in grossen Museen wie dem Brooklyn Museum oder der Biennale in Venedig. Sie gilt heute als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Art Brut, einer Kunst, die fernab von akademischen Regeln entsteht.
Eine sehr schöne Geschichte, finde ich. Trotz einem sehr traurigen Start ins Leben bzw vierzig Jahre sind ja weit mehr als nur der Start ins Leben…
2005 ist Judith Scott im Alter von 61 Jahren gestorben.
Judith Scott zeigt uns, wie wichtig es ist, Menschen nicht auf ihre Einschränkungen zu reduzieren, sondern ihr Potential zu entdecken und auch sie dabei zu unterstützen. Wieviel sie beitragen können, wenn man ihnen Raum, Gehör und Vertrauen schenkt. Und wie Kunst zu einer Sprache werden kann, die keine Worte braucht.
„Sie lebte in einer Welt, die niemand verstand, aber ihre Kunst hat diese Welt für uns sichtbar gemacht.“
Joyce Scott, Zwillingsschwester

Bilder: Internet


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