Risse


Wir alle sind zerbrechlich.
Manchmal die, von denen man es gar nicht denken würde, am allermeisten.
Egal, wie oft wir innerlich zerbrechen, von aussen sieht man für eine ganz, ganz lange Zeit oder für immer gar nichts davon. Das ist eigentlich sehr erstaunlich und zeigt auch, wie robust wir Menschen sind. Es zeigt, wie sehr wir versuchen, unsere Verletzungen nicht zu zeigen, denn wir leben im Patriarchat. Hier wird es als Schwäche empfunden, wenn man offen mit solchen Dinge umgeht. Und es wird einem zum Nachteil, wenn man es tut. Also, tut man es lieber nicht.
Obwohl es ja gar kein Leben ohne Verletzungen und Wunden gibt.

Wir alle sind zerbrechlich und wir alle sind mehr oder weniger zerbrochen.
Und wir heilen.
Daraus entstehen Narben. Manchmal schmerzen die immer noch, obwohl es keinen Grund mehr dafür gäbe. Aber wohl eigentlich einzig deswegen, weil wir nicht aufhören können, daran zu denken wie sie entstanden sind. Es kann sein, dass solche Situationen höchst traumatisch sind und dann brennen sie sich in uns fest. So wie Blutegel, die sich festsaugen an unserer Haut, aber in unserem Kopf.

Ich glaube, Narben sind total okay. Sie zeigen uns, was wir überstanden haben und sie zeigen auch unsere Heilungskräfte.
Ja, ich finde auch dass es wünschenswert wäre, wenn wir uns so zeigen könnten, wie wir sind. Keine Botox-Gesichter, die mit 55 immer noch wie 25 aussehen wollen, sondern 55Jährige, denen man ansehen darf, dass sie Leben und dass das Leben Spuren hinterlassen hat und hinterlassen wird… Dass einander davon erzählen normalisiert wird und nicht als jammern und unangenehm betrachtet wird. Dass Überforderung mit all den Themen des Lebens auch normal ist, dass wir aber damit besser umgehen können. Dass Überforderung sozusagen salonfähig wird, denn so könnte viel Leid verhindert werden, dessen bin ich mir sehr sicher. Denn überforderte Menschen fügen andern sehr oft grossen Schaden zu. Ich würde behaupten, dass die meisten Verletzungen, die andern zugefügt werden aus Überforderung geschehen bzw weil man es sich oder andern nicht eingestehen will oder kann. Das entschuldigt gar nichts, wirklich nicht. Aber warum nicht ändern, wenn man dies denn könnte? Denn es ist ganz furchtbar.

Niemand von uns ist ganz.
Niemand von uns ist heil.
Wir bestehen aus kleinen und grossen Rissen, zusammengehalten von Fleisch, Knochen, Sehnen, Hoffnung und Liebe… Komplett.

Niemand von uns ist ganz.
Niemand von uns ist heil.
Wir wissen es alle, aber wir sprechen lieber nicht darüber.

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.