
Wenn du (oder ich) jemanden als besonders schwierig oder kompliziert empfindest, bedeutet das in erster Linie genau das. DU empfindest das so. Es bedeutet nicht, dass die andere(n) Person(en) tatsächlich schwierig sind, sondern dass DU mit ihr / ihnen gerade nicht zurecht kommst / überfordert bist.
Mir ist es wirklich sehr wichtig, dass uns das sehr bewusst ist, denn ich glaube, es ist den wenigsten klar. Und in diesem Zusammenhang wird mir auch immer wieder bewusst, dass gar nicht so viele Menschen sich selbst reflektieren können.
Es ist nicht so, dass das nur euch betrifft, sondern mich ja genau so. Wie oft sind wir genervt, wenn jemand nicht so funktioniert, wie es für uns halt gut passen würde oder wenn eine Situation sich ganz anders entwickelt als geplant?
Das kennen ganz bestimmt zB alle Eltern. Kinder verhalten sich nicht immer so, wie wir es gerne hätten oder reagieren anders, als wir es uns wünschen würden. Sie halten sich nicht immer an unsere Pläne, auch wenn wir mega im Stress sind. Bzw. besonders gern genau DANN nicht. Und dann finden wir sie unmöglich, verlieren unsere Geduld manchmal und es kann gut sein, dass es dann auch mal eskaliert.
Es ist ja nicht so, dass das nicht okay wäre, finde ich. Es ist einfach menschlich. Aber ich glaube nicht, dass die Kinder dann schwierig sind, sondern dass wir zu gestresst oder was auch immer sind, um mit der Situation in Ruhe umgehen zu können.
So liest man ja zB immer wieder von Schulen, wie schwierig die Kinder sind, wie unerzogen und dass sie deswegen keine Kapazität hätten für Kinder, die dann zusätzlich noch besondere „Bedürfnisse“ haben innerhalb einer Klasse und deswegen wäre es besser, sie würden aus den Klassen wieder entfernt. Ich spreche da vom Integrativen Sonderschulsystem.
Dazu möchte ich sagen, dass dies zwei total unterschiedliche Dinge sind. Kinder, die in einer integrativen Sonderschulmassnahme sind, sind meistens wirklich nicht diejenigen, die in einer Klasse sogenannt schwierig sind, sondern sie brauchen einfach ein bisschen ein anderes Setting usw. Ich will damit nicht sagen, dass dies nicht auch anspruchsvoll ist, nein. Das ist es sicher, besonders weil die aktuellen Lehrpersonen darauf ja nicht vorbereitet sind bzw. dafür nicht ausgebildet sind. Da fehlt Wissen, Erfahrung, Verständnis und vor allem auch Zeit.
Und damit sind wir ja schon wieder beim Thema. Kinder sind NIE zu schwierig. Wenn sie reagieren und das auch mal unangepasst, dann brauchen sie wohl etwas anderes, als das was sie haben. Und wie gesagt, das sind ja dann sehr oft Kinder, die gar keine Sonderschulmassnahme haben, weil Mobbing und anderes störendes Verhalten an so vielen Schulen akzeptiert und nicht als Defizit angesehen wird, obwohl diese Kinder wohl mehrheitlich eine starke psychische Störung aufweisen oder irgendetwas anderes nicht in Ordnung ist, denn sonst würden sie sich ja kaum so verhalten. Das sind aber keine Gründe für eine Sonderschulmassnahme, weil keine Diagnose besteht.
Ich denke, auch in diesen Fällen verhindert leider zu oft Überforderung oder Unlust eine Handlung bzw eine Verbesserung der Situation. Dafür müsste man mit ihnen arbeiten und auch Eltern miteinbeziehen, was man aber sehr gerne umgeht aus Angst vor der Konfrontation und der Reaktion der Eltern, denn Eltern hören sowas oft ja nicht so gerne oder können sich gar nicht vorstellen, dass ihr Kind so etwas tut. Aber leider kommt es halt trotzdem vor und ich finde, es ist auch total okay, ein mobbendes Kind zu sein oder zu haben – ein Kind zu sein, dass noch nicht so richtig weiss, wie es sich verhalten soll und Fehler macht. Das wichtige daran wäre halt dann, es mit ihm anzuschauen, klar Position zu beziehen und es dabei zu unterstützen, andere Verhaltensweisen anzuwenden, zB um Freunde zu gewissen, im Mittelpunkt zu stehen usw.
DAS wäre sinnvoll.
Auch als Eltern.
Ich finde aber ganz klar, ein mobbendes Kind zu sein oder zu haben und wegzuschauen, DAS ist nicht okay. Das schadet weiteren Opfern und auch dem betreffenden Kind, dem ebenfalls nicht geholfen wird.
Ich glaube, das soeben Beschriebene ist das eine Problem und das andere ist, dass Eltern zum Teil sehr genau Bescheid wissen, es aber gut finden. Einfach genau so lange wie ihr Kind Täter:in und nicht Opfer ist, denn das verändert für sie die Situation und weckt das Interesse plötzlich ungemein…
Ich habe dazu eigene Erfahrungen gemacht und ich werde darüber dann offener erzählen, wenn mein Kind die Schulzeit beendet hat.
Betr. Information der betroffenen Eltern kann ich aber sagen, dass in unserem Fall kein einziges Elternpaar informiert wurde. Meine Tochter hatte vor ein paar Jahren nach Mobbing in der Schule eine Depression. Die damalige Schulleitung ist (so hat es die Mobbingberatung ausgedrückt) ins Mobbing miteingestiegen, um den einfacheren Weg zu gehen (also nicht hinschauen zu müssen). So wurde ein Kind halt sozusagen geopfert statt dass man sich dem Thema gestellt hätte. Wir haben diesbezüglich wirklich unglaubliche Dinge erlebt.
Daraus entstand zu der bereits bestehenden Depression noch eine Angststörung und eine Situation, die uns für eine sehr lange Zeit oder für immer begleiten wird. Aber es ist ein Kind von 24 und die andern leben alle wunderbar weiter und es ist egal. Eines ist keines, ne?
Pech, dass es meines getroffen hat… (Irony off….)
Dazu passt sehr gut das sogenannte Trolley-Problem und das ist sehr spannend. Ich werde demnächst darüber schreiben.
Aber ich bin ein bisschen vom Thema abgeschweift irgendwie. Irgendwie aber auch nicht.
Ich weiss, dass Schulen nicht nur viele Kinder als sehr schwierig empfinden (das ist sehr pauschal gesagt, ich bin mir darüber bewusst), sondern auch sehr viele Eltern. Auch darüber liest man immer wieder in den Medien.
Ich denke nicht, dass die alle schwierig sind, wirklich nicht. Ich denke aber, dass man sie als schwierig empfindet, weil man dafür einfach keine Zeit und keine Lust hat. Ausserdem ist es auch gar nicht soooo schlecht, wenn man darin ausgebildet wird, wie man mit Menschen umgehen kann, wie man Gespräche führt – auch schwierige Gespräche. Und wie man lösungsorientiert denkt, spricht und handelt. Gerade in einer nach wie vor recht defizitorientierten Institution wie der Schule, ist das für viele sicher noch neu.
Was ich mit diesem unterdessen etwas langen Text sagen möchte ist:
Wenn du jemanden als sehr schwierig betrachtest… Wenn dich jemand wahnsinnig macht, weil er so viel Energie und Geduld von dir frisst… Wenn du jemanden überhaupt nicht verstehst… Dann überlege dir zuerst mal, ob du das überhaupt musst.
Und ich muss ehrlich sagen, wenn dies im beruflichen Kontext ist und es dein Job ist, dann JA. Dann ist es deine Pflicht, dich da hinein zu geben und deinen Job gut zu machen. Das bedeutet tatsächlich, dich damit zu befassen, dir Zeit zu nehmen, zuzuhören, dein Gegenüber ERNST zu nehmen und gegebenenfalls dann gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Sehr, sehr oft reicht es tatsächlich bereits, zuzuhören.
Was mir dabei ebenfalls sehr wichtig ist: Löse ein Problem nicht damit, jemandem die Schuld zuzuschieben und damit das „Problem“ von dir wegzuschieben, um deinen Job nicht machen zu müssen.
Wenn du jemanden sehr schwierig findest, dann überlege dir auch, warum das so ist. Was macht das mit dir? Warum empfindest du so? Was könntest du ändern, damit das nicht mehr so ist? Was brauchst du, um dieser Person oder Situation gerecht zu werden? Besonders im beruflichen Kontext ist dies sooo gut möglich, vorausgesetzt man traut es, dazu zu stehen, auch mal etwas schwierig zu finden. Unprofessionell, wer das nicht kann – finde ich.
Und wenn diese Person oder Situation in deinem privaten Umfeld ist, dann überlege dir genau dasselbe wie oben beschrieben, aber überlege dir ZUERST, ob du das willst oder ob du dich einfach abgrenzen möchtest. Spring nicht auf jeden Zug auf. Teile deine Energie gut ein. Mach die Probleme anderer nicht zu deinen.
Abgrenzen bedeutet nicht, Kontaktabbruch, sondern sehr reflektiert zu sein. Und auch im Bewusstsein, dass wie bereits oben beschrieben, zuhören bereits ganz oft soooo sehr weiterhilft. Du musst nie jemandem Lösungen liefern, niemand erwartet dies einfach so.
Bei Kindern oder auch sonst, darf man sich gerne auch überlegen, warum sie sich gerade so verhalten und was sie bräuchten, um dies zu ändern bzw um sich wohler zu fühlen.
Und bitte, sag niemandem, er oder sie sei schwierig… sondern dass DU es momentan gerade etwas schwierig findest.
Danke.


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