Grenzen und darüber hinaus


Das Leben zeigt sich sozusagen nie in Einbahnstrassen. Wir sollten wirklich damit beginnen, vernetzt und voraus zu denken.

Also zum Beispiel sollten wir aufhören damit, Selbstverteidigung ausschliesslich Mädchen zu lehren. Wenn Jungs dabei wären, würden sie die Thematiken von Mädchen kennen lernen und sensibilisiert werden.
Denn weiss ein junger Mann, was es in einer Frau auslösen kann, wenn sie spät Abends allein ins Parkhaus muss und er ihr dort folgt, weil sein Auto in der Nähe ist? Weiss ein Junge, dass es einem Mädchen unangenehm ist, wenn er sie an gewissen Körperstellen berührt oder Sprüche über diese macht? Wie soll ein Mann solche und andere Dinge wissen, wenn er es nicht als Junge schon lernt?
Das wäre also Prävention und Selbstverteidigung in einem und vielleicht bräuchte es zweites dann ein bisschen weniger, was schlussendlich ja auch tatsächlich das Ziel wäre.

Ausserdem finde ich, Menschen sollten schon als Kinder lernen, lösungsorientiert und auch ressourcenorientiert zu denken und auch dementsprechende Erfahrungen machen dürfen. Also weniger defizitorientiert behandelt und bewertet werden, sondern gefördert und unterstützt.
Menschen sollten wieder viel mehr lernen, Verantwortung zu übernehmen. Für sich und das eigene Handeln, aber auch für andere. Togetherness.

Menschen sollten ebenfalls schon als Kinder lernen, dass Diversität total etwas Normales ist und weder jemandem schadet, keinem etwas weg nimmt und dazu gehört. Weiter finde ich es wichtig, auch gerade in diesem Zusammenhang, dass Menschen lernen, mit Überforderung und Irritation umzugehen. Also selber damit umzugehen, ohne die Gründe dafür bei andern zu suchen. Denn warum sollte ein anderer Mensch daran Schuld sein, wenn ICH irritiert bin? Ist nicht Schuld daran. Genau.

Ganz, ganz wichtig finde ich es, dass Menschen ihren Horizont erweitern dürfen. Einfach mit den Gelegenheiten, die das normale Leben ihnen bietet. Mit all den Situationen, die uns fordern, die uns überfordern, die uns traurig, wütend, hoffnungslos machen. Mit all den Situationen, die uns aus unserer Komfortzone raus reissen und möchten, dass wir sie meistern und wachsen daran.
Ich würde behaupten, wenn Menschen die Fähigkeiten und Ressourcen hätten – bzw ich glaube tatsächlich, dass wir alle diese haben, aber nicht alle haben den MUT – , all dies zu durchleben, dann müsste sich niemand künstlich erzeugten Grenzerfahrungen stellen und dafür wohl noch viel Geld ausgeben. Dazu noch müsste sich keiner für solche Lebenssituationen schämen. Man könnte total anders damit umgehen und auch das Umfeld könnte das. Zack, das ganze wäre schon viel einfacher.
Adrenalinschübe und Mutproben bietet uns das Leben genügend an. Natürlich ist es aber uncooler zu sagen, dass man seinen Vater beim Sterben begleitet hat und so total an seine Grenzen gekommen ist, statt zu sagen, man hätte einen Fallschirmsprung gemacht. Natürlich ist es viel uncooler, dazu zu stehen, dass zB in der Ehe nicht alles rund läuft (ist ja auch nicht unnormal) oder dass man als Alleinerziehende oft struggelt, als sich in einen Bottich mit Eiswasser zu setzen oder sich jede Nacht ne andere ins Bett zu holen, obwohl man zuhause Ehefrau und Kinder hat.

Ehrlich gesagt, ich finde all diese Kompensations-Aktionen recht lächerlich, wenn ich ehrlich bin, denn ich glaube nicht, dass man solche und ähnliche Dinge macht, weil sie so viel Spass machen, sondern weil man ein Loch in seinem Herzen stopfen muss. Weil man Befriedigung sucht oder Bestätigung.
Mit solchen Erlebnissen findet man nicht zu sich selbst, das ist nur pseudo. Man findet zu sich selbst und entwickelt sich, wenn man das Leben lebt und Dinge einfach auch mal annimmt, auch wenn sie unangenehm oder uncool sind. DAS bringt uns über unsere Grenzen hinaus. DAS hat Entwicklungspotential. Und DAS ist das Leben.
Das Leben ist oft so wild, da ist es gut zwischendurch auch mal zur Ruhe zu kommen, statt künstlich noch mehr Action zu erzeugen. Jedenfalls wenn man älter wird. Wenn man noch jung ist, dann verstehe ich das alles total, denn man hat ja noch nicht so viel Erfahrungen – Grenzerfahrungen gemacht, hoffentlich. Da ist es total normal, die Grenzen zu suchen und auch zu erfahren, wo die überhaupt sind.

Ich bin sehr der Meinung, dass wir viel mehr bei uns selbst sein sollten und bei uns selbst suchen sollten. Viel mehr uns selbst hinterfragen sollten. Viel weniger andere beurteilen und viel mehr uns selber fragen, warum uns etwas triggert. Denn da wo es triggert, sollte man nicht zuviel vermeiden sondern hinschauen. Das sind genau die Steine in unserem Rucksack, die immer schwerer werden…

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.