
Menschen haben Angst vor neuen, unbekannten Dingen. Sie möchten sich Themen, mit denen sie nicht gut umgehen können, nicht stellen bzw sie weichen aus.. Und Menschen haben Verlustängste. Für mich sind dies die Hauptgründe, warum wir uns als Gesellschaft mit Inklusion und Diversität noch so schwer tun.
Die Verlustängste.
Die Angst davor, dass es soweit kommen könnte, dass man selbst auf etwas verzichten müsste, wenn anderen etwas zugesprochen wird. Geld, Freiheit, Priviliegien…
Die Angst, dass gleiche Rechte für alle für einen selbst einen Nachteil bringen könnte.
„Auch wir haben Rechte“. — Ja. Die andern aber genau so.D
Diesen Aspekt beobachtet man bei verschiedenen Themen, bei denen noch ganz klar ein Ungleichgewicht herrscht. Bei der Gleichberechtigung von Frauen zum Beispiel. Und auch wenn es um die Umsetzung der UNBRK geht. Bei den Themen einer inklusiven Schule und allgemein dort, wo andern Menschen dieselben Rechte wie wir alle sie haben, zugesprochen werden müssen.
Diese Begründung ist für mich einfach eine Erklärung. Nachvollziehen kann ich sie nicht. Ich verstehe es nicht, warum sich Menschen über andere stellen. Warum Menschen meinen, eine grössere Berechtigung zu haben für was auch immer. Warum Menschen sich wertvoller, besser, mächtiger fühlen wollen als andere und warum sie dies tun, indem sie andere möglichst weit runter drücken. Ich verstehe es nicht nur nicht, ich finde es dazu noch sehr erbärmlich.
Das andere ist das Wegschauen. Wenn ich damit nicht umgehen kann, wenn mir ein Mensch begegnet, der zB eine kognitive Beeinträchtigung hat, dann war es bisher noch einfacher, diesen Menschen aus unserem Blickfeld zu entfernen statt sich damit auseinander zu setzen.
Armuntszeugnis und schwach, wenn ihr mich fragt.
Das Unbekannte.
Es irritiert viele von uns.
Die wenigsten von uns sind mit beeinträchtigen Menschen um uns herum aufgewachsen.
Generationen, älter als ich, kennen das noch weniger als wir, denn ganz früher wurden Menschen, die eine Beeinträchtigung hatten, irgendwo unter Verschluss gehalten. Entsprechende Institutionen wie zB Betagten- oder Behindertenheime, Psychiatrische Kliniken usw. wurden damals weit abseits von Ortschaften gebaut.
In meiner Generation wurden beeinträchtigte Menschen separiert. Also wenn man nicht jemanden in der Familie oder Nachbarschaft hatte, dann hatte man null Kontakt zu diesen Menschen. Sie waren irgendwie einfach gar nicht da. Und das ist auch heute noch so.
Dazu kommt noch die Tatsache, dass pränatale Untersuche und unsere Gesetze es möglich machen, Schwangerschaften abzubrechen, sollte schon in diesem Stadium des sich entwickelnden Lebens eine unerwünschte Krankheit oder Beeinträchtigung sichtbar sein.
Ich arbeite ja mit Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und ich kann euch sagen, dass die meisten diese Beeinträchtigung nicht im Bauch der Mutter schon hatten. Bei einigen ging bei der Geburt etwas schief. Einige erkrankten irgendwann danach zB an Hirnhautentzündung oder auch Unfälle sind mögliche Gründe für Beeinträchtigungen.
Es gibt ja auch noch andere Beeinträchtigungen als die kognitiven. Es kann einem Menschen also jederzeit im Leben etwas zustossen oder eine Diagnose gestellt werden.
Dass also die meisten von uns keine Erfahrungen haben im Umgang mit Menschen, die krank sind oder eine Beeinträchtigung haben, erklärt, dass viele sich unsicher fühlen damit. Diese Menschen sehen manchmal anders aus, sie kommunizieren eventuell anders oder gar nicht, sie bewegen sich anders, sie benützen Hilfsmittel, sie benehmen sich anders als wir es uns gewohnt sind oder sie halten sich nicht an die gewohnten Benimm- und Verhaltensregeln, mit denen wir uns sicher fühlen. Diese Menschen benehmen sich manchmal für uns irritierend, weil anders als wir es uns gewohnt sind und kennen. Das hat für uns auch irgendetwas unberechenbares, denn man kann sich auf nichts einstellen. Also auch unsere Verhaltensmuster passen dann als Reaktion irgendwie nicht mehr so richtig und das verunsichert.
Ich spreche jetzt hier die ganze Zeit von Beeinträchtigungen und Krankheiten. Es gibt aber noch viele andere Menschen, die als anders betrachtet und ausgegrenzt werden. Zum Beispiel Menschen mit einem anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund, Menschen mit einer sexuellen Neigung, die nicht unserer eigenen entspricht, Menschen mit einer anderen Hautfarbe. Menschen, die sich anders als gewohnt anziehen. Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, dem wir sie aufgrund körerlicher Merkmale zuordnen usw…
Eine sehr gängige Reaktion darauf ist dann auslachen, ausgrenzen, sich lustig machen. Mobbing.
Und Menschen, die das tun meinen, das sei voll okay. Aber ganz ehrlich, es ist nicht okay und Menschen, die das tun, sind Arschlöcher. Überforderte Arschlöcher. Oder auch Arschlöcher mit einem sehr, sehr kleinen Selbstbewusstsein.
Das ist eine Begründung, aber nie eine Entschuldigung, denn man kann mit Überforderung oder geringem Selbstwert auch ganz anders umgehen.
Mein Lösungsansatz ist, dass wir wirklich nun damit anfangen, niemanden mehr zu separieren bzw alle Menschen nicht nur zu tolerieren, sondern zu akzeptieren und zu respektieren so wie sie sind. Dass jede:r dazu gehört so wie er ist und dass Kinder von klein auf gleich lernen, genau so miteinander umzugehen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass Kinder das einfach können, wenn wir es ihnen zutrauen und sie im Umgang miteinander unterstützen, so wie wir es als Lehrer:innen oder Eltern eh tun.
So dauert es dann etwa eine Generation lang, bis wir nicht mehr so viele Erwachsene haben, die sich durch Verschiedenartigkeit überfordert fühlen, weil sie es nicht kennen.
Den Begriff „normal“ müssen wir sehr stark überdenken und verändern und damit beginnen, Verschiedenartigkeit normal zu finden. Und nicht nur das, sondern auch als interessant, was es ja auch tatsächlich ist.
Aber auch, dass Menschen überfordert sein dürfen, egal womit. Dass wir aber lernen und einander dabei helfen, anders damit umzugehen. Nämlich zu wissen, dass meine Überforderung nicht die Schuld von andern ist, sondern MEIN Thema und dass ICH mich damit befassen darf, bis ich mich darin so verhalten kann, dass ich andern keinen Schaden mehr zufüge. Denn das ist es, was Mobber:innen tun.


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