Die Betreuung von Eltern im Alter


In den letzten Tagen habe ich eine Diskussion darüber mitgelesen, ob (erwachsene) Kinder dazu verpflichtet sind, ihre Eltern zu pflegen, für sie zu sorgen, für sie verantwortlich zu sein, wenn mal etwas ist.
Da gehen die Meinungen sehr auseinander. Die einen finden das selbstverständlich und ganz klar, dass sie das tun müssen und werden. Andere finden, dass Kinder das keinesfalls tun müssen und auch nicht dazu verpflichtet sind.

Was ich ziemlich interessant finde ist, dass ich oft lese oder höre, dass Kinder das nicht tun, weil das Verhältnis zu den Eltern nicht gut ist oder weil deren Meinung nach die Eltern schlechte Eltern waren. Das ist natürlich ein Grund, klar. Total nachvollziehbar.
Ich lese aber auch immer mal wieder, dass andere das Verhältnis in einer Familie als schlecht einordnen, WEIL Kinder ihre Eltern nicht pflegen möchten. Das hingegen halte ich für total falsch.

Wir leben in einer anderen Zeit als noch vor 50 oder so Jahren. Ich glaube, damals wuchs man irgendwie noch in diese Aufgabe hinein bzw WIR FRAUEN wuchsen in diese Aufgabe hinein. Wurden hinein-erzogen. Ich würde sagen, dass es sehr oft auch heute noch der Fall ist, dass die Frauen der Familie sich viel, viel mehr kümmern, wenn mal etwas mit den Eltern oder mit wem auch immer ist, als die Männer der Familie. Für Männer ist es viel einfacher, sich abzugrenzen bzw ich glaube, sie müssen sich gar nicht abgrenzen, weil in dieser Hinsicht niemand etwas erwartet von ihnen. Von uns Frauen hingegen schon. Und es ist wirklich immer noch so. Da hilft abgrenzen allein nichts. Ganz oft fühlen wir uns sogar dazu verpflichtet, unser Abgrenzen zu erklären.

Ich habe in dieser Hinsicht viele Erfahrungen gemacht in meiner Kernfamilie. Ich habe meine beiden Eltern in ihrer Krebserkrankung begleitet so gut es ging, bis sie dann gestorben sind. Und ich habe einen Bruder mit Hirnverletzungen, mit dem ich nach dem Tod unserer Eltern als einziges Familienmitglied noch übrig blieb.
In all diesen drei Situation habe ich viel Verantwortung übernommen. Einfach, weil ich das Mädchen in der Familie war und schlussendlich war und bin ich auch die einzige, die gesund ist und noch lebt.
Ich empfand sehr vieles davon sehr belastend.

Meine Tochter und ich sind eine kleine Familie. Sie hat noch einen Vater und auch er ist ihre Familie.
Sie wird vielleicht oder vermutlich sogar ganz sicher eines Tages in eine ähnliche Situation kommen, wie ich sie erlebt habe. Sie wird die einzige Tochter sein mit zwei alternden Eltern. Wer weiss, was passieren wird. Ob wir gesund bleiben oder nicht…

Ich will nicht, dass meine Tochter die Verantwortung übernehmen muss. Wenn sie mich besuchen möchte oder was auch immer, dann ist das natürlich sehr erwünscht und ich hoffe das natürlich auch.
Aber ich will nicht, dass sie mich pflegen muss, dass ich ihr auf den Keks gehe mir irgendwelchen Sachen (was vermutlich unumgänglich ist 🙂 ) und ich will nicht, dass sie wegen mir auf ihr eigenes Leben verzichtet, Dinge aufgibt und sich aufopfert. Das habe ich ihr auch genau so gesagt. Sie weiss, dass sie mich in ein Heim oder so geben soll, wenn mal irgendwas sein sollte. Und auch wenn ich das dann eines Tages nicht mehr will, weil ich vielleicht dement oder keine Ahnung was bin, dann soll sie es trotzdem tun. Das ist mir wirklich wichtig. Sie ist nicht verpflichtet, sich mich aufzubürden und auch wenn sie es dennoch tun möchte, ICH will es nicht.
Es ist mir viel lieber, wenn sie glücklich und hoffentlich so lange wie möglich so unbeschwert wie möglich leben kann. Und ich glaube, unsere Beziehung wird gut sein. Das wünsche ich mir zumindest.

Umgekehrt ist es natürlich etwas anderes. Ich als Mutter BIN sehr wohl verpflichtet, für mein Kind da zu sein und das ist auch selbstverständlich. Aber auch ich bin auch mir selbst verpflichtet. Ich bin für mich auch verantwortlich und sorge dafür, dass es mir gut geht. Und wenn es mir gut geht, kann ich auch richtig für mein Kind da sein.

Ich finde tatsächlich, keine Eltern sollten solche, wie oben beschriebene Erwartungen an ihre Kinder haben.

4 Antworten zu „Die Betreuung von Eltern im Alter”.

  1. Liebe Andrea

    Das Grundthema deiner Frage ist für mich: Was ist denn wirklich menschlich und zwar für beide Seiten. So ist jeder individuelle Fall für sich sehen.

    Ich war immer der Meinung und bin es noch, dass niemand seine Eltern pflegen müssen soll. Wobei es noch einen Unterschied macht, ob ich einfach mein eigenes Leben nicht so vernachlässigen möchte oder ob das Verhältnis so ungut ist, dass es für einen oder beide Seiten eine unnötige Belastung wäre. Im zweiten Fall ist aus meiner Sicht eine neutrale Pflege durch Personen außerhalb des Familienverbands womöglich wesentlich menschlicher.

    Dass es bislang fast immer die weiblichen Personen einer Familie sind, die Pflegearbeit leisten, ist ein alter Zopf, der im Zuge der Veränderung der Geschlechterrollen zum Bewusstwerden ist und gewandelt werden darf.

    In meinem persönlichen Fall gab es eine Zeit, wo ich so wütend auf meine Eltern und ihr nicht zu mir stehen war, dass ich ihnen schriftlich gab, niemals für ihre Pflege zuständig sein zu wollen. Mein Vater hat mich angerufen und gesagt, dass ich mit meinem Brief wahrscheinlich verletzen wollte und dass das gelungen sei.

    Das hat sich dann insofern erledigt, als sie meinen Bruder als alleinigen Betreuer einsetzen ließen, auch wegen des Sektenhintergrunds meiner Familie. Bei meinem Bruder ist aus ihrer Sicht gewährleistet, dass er die medizinischen Sonderwünsche der Sekte beachten wird. Weil ich schon lange dort ausgeschlossen bin, sehen sie das bei mir nicht.

    Voraussichtlich werde ich im Laufe des Jahres 2025 nach München zurückkehren. Meine beiden Eltern leben noch in ihrer gemeinsamen Wohnung. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass mein Bruder teils mit der Verantwortung so beschwert war, dass er mir Infos gab und seine Sorgen äußerte. Ich konnte offensichtlich mit einfachen Infos helfen, die Situation wieder auf eine entspanntere Ebene zu bringen.
    Momentan denke ich, wenn ich wieder da lebe und so gesund und munter bleibe, wie ich jetzt bin, kann ich dann – wenn es für beide Seiten i.O. ist – das eine oder andere evtl. abnehmen. Meine Beziehung zu meinen Eltern ist für mich über die Jahre so geheilt, dass ich glaube, jetzt kein Problem mehr damit zu haben und einfach da sein kann.

    Dein Fall ist zweifellos wieder eine ganz andere, sehr individuelle Situation. Da ich mal eine Ausbildung zur Hospizhelferin gemacht habe und mich mit dem Thema Sterben intensiv auseinander gesetzt habe, erinnere ich mich an eine Doku eines Landes, wo Sterbehilfe legal ist (wie die CH). Dort hörte ich, dass ältere Menschen manchmal deswegen sterben möchten, um für ihre Kinder keine Belastung zu sein. Das wird dann immer sehr genau angeschaut, weil es kein ethisch guter Grund dafür ist, nicht mehr leben zu wollen. Im Sinne der Menschlichkeit sollte sich niemand das Leben nehmen lassen wollen, um keine Belastung für andere zu sein.

    Du weißt aus eigener Erfahrung, wie anstregend die Pflege bedürftiger Familienangehöriger sein kann. Und ich vermute, dass deine Tochter womöglich nie in die Lage kommen wird, dass sie andere pflegen könnte. Insofern ist es verständlich, dass du ihr das nicht aufbürden möchtest.
    Sollte es sich anders verhalten und sie sollte es wünschen, dann empfände ich es eher als unmenschlich, sich dem zu verweigern. Denn sie könnte auf diese Weise mehr Teil deines Lebens bleiben, mehr von dir haben, solange du noch lebst. Vielleicht auch etwas zurück geben. Aber das weißt nur du selbst.

    Solange es jemandem nicht möglich war, mit der Beziehung zu den eigenen Eltern im Frieden und versöhnt zu sein, empfinde ich ein Pflegen müssen als relativ unmenschlich. Manchmal könnte aber auch eine Chance zur Versöhnung drin stecken und manche nutzen diese Phase dafür.

    Das Thema hat offensichtlich viele Aspekte 😉

    Liebe Grüße
    Marion

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  2. Vielen herzlichen Dank, für deine offene Meinung. Ich teile sie zu 100%. 😘

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  3. Ja, das finde ich auch. So war das auch nicht gemeint. Es soll sich einfach niemand sowas wie aufopfern müssen. Aber einander helfen und unterstützen immer!!

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  4. Wir sind ehrlich gesagt, daran vorbei gerutscht und mussten keine Abwägungen treffen. Sowohl meine Eltern als auch die Eltern meiner Frau „sind nicht alt geworden“, sag ich mal, so dass bei uns gar nicht die Frage der Pflege aufkam.
    Wieviel man von seinem Leben bereit ist, aufzugeben, das muss wohl jeder selbst entscheiden. Aber ganz ohne ein Füreinander einstehen wird es wohl nicht gehen.

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.