Die Reise…


Erzähle uns von der Reise, die dich am weitesten weg von zu Hause geführt hat.

Die Reise, die mich am weitesten von zuhause weg geführt hat, war nach Hawaii. Mit 20 war ich mit einer Freundin, ihrem Partner und einem Freund von ihnen für einen Monat an der Westküste Amerikas unterwegs. Wenn man scbon mal dort ist, ist Hawaii dann nicht mehr sooooo weit weg. Wenn ich mich richtig erinnere, flogen wir aber dennoch von Los Angeles aus noch 6 Stunden, bis wir auf der hawaiianischen Insel Maui landeten.
Ehrlich gesagt ist das alles irgendwie lange her und ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Es ist für mich wie eine ferne Reise ins Paradies. Lange her. weit weg. Ist es überhaupt passiert oder war es nur ein Traum?

Mein Foto-Album, welches ich damals gemacht habe als Andenken von unserer Reise, habe ich zwar noch, aber die meisten Fotos fehlen. Ich habe die damals ins Album geklebt, um sie danach wieder raus zu reissen und sie meinem Brieffreund John zu schicken. Ihm habe ich damals viele Fotos geschickt, egal wovon. Einfach, um ihn ein bisschen teilhaben zu lassen am Leben. An der Freiheit. Denn er sass damals bereits seit Jahren in der Todeszelle in Huntsville, Texas. Er fand es schön, von meinen Reisen zu lesen und Fotos zu sehen und sich dabei ein bisschen so zu fühlen, als würde er es auch erleben. Ich hatte das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Keine Ahnung, ob das okay war oder einfach nur naiv und dumm…
Es sind Jahrzehnte vergangen seitdem und es ist lange her, seitdem eines Tages einfach kein Brief mehr von ihm kam. Ich wusste, dass das irgendwann passieren wird, denn in der Todeszelle warten die Insassen:innen schlussendlich ja auf ihre Hinrichtung. Mein Freund Felix hatte mich damals darauf aufmerksam gemacht, dass er in der Zeitung gelesen hat, dass in Huntsville Texas der Insasse John Elliott hingerichtet wurde. Das war er.
Komisches Gefühl…

John Elliott war damals ein Mann, von dem ich wusste, dass er etwas sehr schrechliches getan haben musste. Er hat mir nie von seiner Tat erzählt. Denn hätte er das getan, hätte ich ihm auf gar keinen Fall geschrieben, das ist klar. Ich lernte von seinen Briefen einen Mann kennen, der von sich sagte, dass er jetzt ein besserer Mensch wäre und es ihm leid täte, was er getan hat. Im Drogenrausch bzw unter Druck, sich Geld für Drogen beschaffen zu müssen.
Ich habe nie etwas gefragt. Im Nachhinein war ich froh, es nie getan zu haben, denn es hätte mich zutiefst angeekelt. Ich habe Jahre später bei Google mal ziemlich detailierte Berichte über seine Taten gefunden. Hätte ich das alles vorher so genau gewusst, hätte ich ihm niemals geschrieben.
Und dennoch war es eine Erfahrung.

Nun bin ich ein bisschen abgeschweift vom eigentlichen Thema, aber vielleicht auch nicht, denn schlussendlich ist unsere längste und weiteste Reise wohl die zu uns selbst.

Eine Antwort zu „Die Reise…”.

  1. Wie wahr, die größte und längste Reise ist die zu uns selbst.

    Du hast mich gerade erinnert, dass es eine Zeit gab, wo auch ich mit einem Häftling Briefe tauschte. Er war nicht zum Tode verurteilt und ich wollte wissen, was er gemacht hat. Er hat es mir nicht gleich offenbart, aber nachdem etwas Vertrauen aufgebaut war, dann doch. Ich brauchte das, um den Menschen insgesamt wahrnehmen zu können. Es war auch irgendwas mit Geld beschaffen und Waffen.

    Es gab einen Punkt, an dem ich nicht mehr weiter mit ihm schreiben wollte. Es war der Punkt, wo er die Beziehung zwischen Männern und Frauen herunter brach auf: Es laufe am Ende doch darauf hinaus, dass die Frau seine Socken und Unterhosen wäscht. Oder sowas in der Art. Das hat mich fassungslos gemacht.

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.