Allein


Allein sein und einsam sein schmeisst man ja gern in den selben Topf, aber das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Ich glaube, allein sein ist ein Zustand. Also sozusagen die Abwesenheit von andern Menschen. Einsam sein ist vermutlich auch ein Zustand, aber ganz fest auch ein Gefühl.
Man muss nicht zwingend allein sein um einsam zu sein oder einsam sein, um sich allein zu fühlen.
Ich glaube aber, dass zu oft oder zu sehr allein sein zu Einsamkeit führen kann.

Mir hat nach meinem letzten Text jemand einen Kommentar geschrieben, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Ich glaube, es gibt sehr viele Menschen, die allein sind. Und auch viele Menschen, die einsam sind und ich bin mir nicht sicher, ob das immer dieselben sind.

Ich glaube, es gibt im Leben Situationen, da kann man noch so eingebettet sein in eine Gemeinschaft und man ist trotzdem allein. So stelle ich es mir zB vor, wenn jemand eine schlimme Diagnose bekommt. Andere Menschen können noch so fest da sein, Mitgefühl zeigen und einen nicht allein lassen, man ist es doch irgendwie trotzdem. Niemand kann einem das abnehmen, das muss man ganz allein tragen. Menschen leiden mit, aber das bedeutet eigentlich nur, dass andere zusätzlich leiden, denn der betreffenden Person nimmt das keinen Schmerz und keine Angst ab. Null. Sicher ist es tröstlich, solche Momente nicht ganz allein durchstehen zu müssen. Andere Menschen können einem viel Kraft und Mut geben, das ist sehr wichtig. Und doch ist man mit seiner ganz persönlichen Situation ganz alleine.

Ich habe das im Krankheits-Verlauf meiner Eltern so erlebt. Ich konnte keinem von ihnen etwas von dieser Krankheit abnehmen. Ich glaube, schlussendlich habe ich die ganze Zeit versucht, mega mega tapfer für sie zu sein, weil ich wollte dass sie zuversichtlich und hoffnungsvoll sind. und dass sie denken, ich sei es. Dass sie kämpfen und sich nicht aufgeben. Jahre später glaube ich, ich habe damit eigentlich nur bewirkt, dass sie auch tapfer waren. Für mich. Sich ihre Angst nicht anmerken liessen so wie ich meine. Aber ich glaube trotzdem, dass meine Anwesenheit und Begleitung hilfreich waren.

Genau so wie damals meine Eltern ihre persönliche Situation mit dieser Krankheit erlebt haben, entstand dadurch auch für mich eine Situation, die nur ganz allein meine war. Die Angst um meine Mutter und ein paar Jahre später um meinen Vater. Die Unsicherheit in der Unberechenbarkeit dieser Krebs-Erkrankung. Das Sehen und aushalten müssen dieses Leidens,. Das Erahnen der Schmerzen und der Angst, die sie wohl haben mussten. Und schlussendlich die Angst davor, dass sie nicht mehr gesund werden, sondern sterben werden. Aber wann? Und wie wird das sein?
Ich bin ein Mensch, der über vieles gut sprechen kann und das hilft mir gut weiter in Situationen, die schwer ertragbar sind. Es hilft im Gespräch auf Menschen zu treffen, die das verstehen, weil sie es ähnlich erlebt haben oder erleben. Verstanden zu werden tut gut. Und solche Gespräche geben einem das Gefühl, nicht allein zu sein in dieser Situation. Und doch ist man es.

Genau so ist es mit dem allenerziehend sein. Man ist nie ja eigentlich nie allein und ist trotzdem mit allem allein. Weisst du, was ich meine?
Alles was so im Alltag abläuft, Gutes und Schwieriges kann man mit andern Menschen besprechen, aber niemand teilt es wirklich mit einem. Das geht nämlich gar nicht, denn nur ich bin zuständig. Nur ich bin verantwortlich. Nur ich bin emotional so sehr daran gebunden, weil es MEIN Leben ist. Andere können zuhören oder irgendwas mithelfen, was mega wertvoll ist. Aber dann gehen sie wieder und lässt die Situation da wo sie ist, nämlich bei mir.

Ich glaube auch, dass viele Menschen schwach sind und weg gehen, wenn es im Leben mal holprig wird. Vermutlich nicht oder nicht alle, weil sie schlechte Menschen sind, sondern weil sie nie gelernt haben, damit umzugehen. Aber wenn etwas schwierig wird im Leben, sind plötzlich fast alle weg.
Ich kann mich erinnern, dass mir jemand gesagt hat irgendwann nach der Zeit, als mein Ex-Mann und ich uns getrennt haben, sie hätte das von jemandem erfahren und gedacht, sie warte lieber noch ein bisschen mit anrufen, bis es mir besser ginge. Aber wann bräuchte man am dringendstens jemanden? Wenn es einem besser geht oder wenn man sich verlassen und ganz allein fühlt?
Ich finde es unterdessen recht okay und ich verstehe es auch. Es ist Selbstschutz und das ist zu akzeptieren. Aber ich glaube einfach nicht, dass ich mich mit vielen solchen Menschen umgeben möchte.
Wir waren mit einer Familie für ein paar Jahre sehr eng befreundet und haben viel Zeit zusammen verbracht. Als mein Kind letztes Jahr sehr krank geworden ist, haben sie den Kontakt zu uns abgebrochen und nie wieder mit uns gesprochen. Nie gefragt, wie es meiner Tochter gehe, wie es mir gehe, nichts. Ich finde ein solches Verhalten schwierig zu verstehen, aber auch das ist okay für mich .Interesse und Zuneigung besteht oder besteht halt nicht, das ist total okay. Ich persönlich verstehe unter Freundschaft etwas ganz anderes, deswegen passt das ja dann eh nicht zusammen.

Ich habe eine Tante, deren Mann vor etwa zwei Jahren verstorben ist. Sie ist 85 und seitdem ihr Mann gestorben ist, wohnt sie allein. Ich glaube, sie meistert das relativ gut und hat sich unterdessen auch gut erholt. Sie ist in ihrem Wohnblock, einer Alterssiedlung, gut eingebettet. Jede:r wohnt in seiner:ihrer eigenen Wohnung, aber der Kontakt untereinander ist gut. Es gefällt ihr dort.
Meine Tante sagt nie etwas dementsprechendes, aber ich glaube schon, dass sie allein ist. Ist ja irgendwie auch logisch. Der langjährige Lebenspartner ist nicht mehr da, man ist nicht mehr so mobil und gesundheitlich auch nicht mehr so fit, das schränkt den Spielraum ja dann auch ein.
Sie verbringt Nachmittage im Gemeinschaftsraum und macht Spaziergänge ins Dorf und ich glaube, wenn sie dann wieder in ihrer Wohnung ist, ist sie allein. Ich glaube, sie überlegt sich in dieser Zeit ganz viele Dinge von früher und vermutlich zerdenkt sie Dinge, dass sie für sie unendlich schwierig werden, statt sie einfach loszulassen.

Allein sein ist ja auch nicht nur schlecht. Allein sein kann auch sehr wohltuend sein, so empfinde ich es oft. Als erholsam und zur Ruhe kommen.
Aber ich glaube auch, dass es vielleicht auf Dauer nicht so gesund ist.

2 Antworten zu „Allein”.

  1. 🙂
    Ich glaube, es ist auf dem Land nicht extrem anders, wie ich es zB erlebe.
    Ich glaube, man braucht Familie oder zumindest einen gewissen finanziellen Wohlstand, um eingebettet zu sein.
    Hat mal als Alleinerziehende ja oft eher nicht.

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  2. Plötzlich verschwinden die Leute, das kenne ich. Als mein geschiedener Mann starb, wussten sie nicht, wie sie mit mir und meiner Trauer umgehen sollten. Ich war doch geschieden, wozu der Kummer? Na ja, nach 30 Jahren Zusammenleben…… Mir hätte Trost gut getan und Kraft gegeben.

    In der Regel bin ich gerne allein. Die Einsamkeitsgefühle kommen und gehen und behindern mich nicht im „guten Leben“. Schließlich waren sie in meiner Ehe ständig präsent und viel schwerer zu ertragen.
    Alleinsein auf Dauer nicht so gesund? Kann sein, wir sind ja soziale Wesen. Was früher unvorstellbar für mich war, bewerte ich heute ganz anders: Leben in der Großfamilie ist vielleicht ja doch ganz schön! Wäre mit meinen Eltern nicht gut gegangen und mit meinen Kindern auch schwierig, zumindest für den Älteren. Der Jüngere lebt mit Frau und Schwiegermutter zusammen und überlegt, mich eines Tages dazu zu holen. Einerseits verführerisch, andrerseits bin ich der festen Überzeugung, dass die jungen Leute ein eigenständiges Leben verdient haben, ohne sich um uns Mütter kümmern zu müssen. Aber ich bin ein Stadtkind, auf dem Land wird das ja teilweise noch ganz anders gelebt.
    Am liebsten würde ich in einen Eberhofer-Krimi eintauchen, vielleicht als entfernte Verwandte, die in den „Saustall“ ziehen darf.
    Ein 💝 für Dich und vielen Dank für Deine Reflexion! Regine

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.