
Wir Menschen sind total reizüberflutet und das tut uns nicht gut. Wir hören zuviel, wir lesen zuviel, wir sehen zuviel. Es ist nicht nur schlecht, denn so sind wir informiert und oft auch sensibilisiert auf Themen, von denen wir ohne Nachrichtenflut gar nichts wüssten. Aber es ist auch viel. Abgrenzung ist schwierig. Auch deswegen, weil wir unserer Überlastung nicht so bewusst sind bzw ert dann, wenn das Mass schon total überschritten ist.
Die Reizüberflutung findet ja nicht nur durch Medien statt, sondern auch im Alltag. Wir sind voll im Flow, es ist chic, immer unterwegs zu sein und mega viel zu erleben.
Wir lesen, sehen und hören Nachrichten aus der ganzen Welt, die für uns zum grössten überhaupt nicht relevant sind. Nicht nur wichtige Ereignisse werden uns mitgeteilt, sondern auch sehr viel Gossip. Viel zu viel aus dem Privatleben anderer Menschen Stars hin oder her, viel zu viele Eventualitäten, Hypothesen, Unwahrheiten. Viel zu viele Bewertungen, Urteile.
Unter den Artikeln im Internet können Kommentare hingeschrieben werden, kann diskutiert wrden. Meistens auf unterstem Niveau. Menschen greifen einander an, beleidigen, urteilen, lassen ihren Frust raus. Zwischen den Zeilen nimmt man Nicht-Wissen und Unzufriedenheit wahr.
Es wird diskutiert, was wir davon halten, dass eine Frau 800 Tattoos hat und keinen Job findet. Was bringts? Und wen interessierts überhaupt? Vielleicht liegts ja aber auch gar nicht an den Tattoos, dass sie keinen Job findet. Warum müssen wir das lesen?
Es wird geschrieben, welche Stars mit Sex gewartet haben, bis sie verheiratet waren. Gibts nichts Spannenderes? Das ist doch total okay und denen überlassen. Warum müssen wir das denn wissen?
Ein Trennungs-Coach schreibt seit Tagen, dass Paare sich viel schneller trennen sollen. Dass viel zu lange gekämpft und probiert wird. Ein seriöser Coach macht meiner Meinung nach nicht solch verallgemeinernde Aussagen in einem Online-Magazin.
Irgendwo steht geschrieben, dass das englische Frauen-Fussball-Team Handy-Verbot hat während irgendwelchen Spielen und darunter wird diskutiert, ob wir das für das Frauen-Fussball-Team auch gut fänden oder nicht. Wofür eigentlich?
Im Flugzeug nach irgendwo macht ein Mann seiner Freundin einen Heiratsantrag. Süss. Aber es werden tausende Heiratsanträge jeden Tag gemacht und vermutlich ist für die beiden Betroffenen jeder etwas ganz besonderes. Brauchen wir das jedesmal zu wissen?
Irgendein Star hat geheiratet. Ein ander hat sich scheiden lassen und noch ein anderer hat eine neue Geliebte.
Und was hat gestern Prinz Harry gemacht? Wo er doch eigentlich aus dem Rampenlicht wollte, ist er jetzt eigentlich ziemlich täglich oder zumindest wöchentlich in den Medien. Und sein Buch… Wer könnte nicht ein Buch über die Abgründe und Konflikte in seiner:ihrer Familie und Verwandtschaft schreiben? Aber warum sollte man das tun? Und warum sollte man das lesen? Wen geht denn das überhaupt etwas an?
Schwarzenegger trainiert noch mit 75 Jahren. Mein Nachbar auch.
Dann wird uns erklärt, wie man Sonnencreme verwendet. Und was man beim Trinken alles falsch machen kann. Ausserdem, was man beim Wandern beachten muss und dass jeder fünfte seine Pflanzen falsch giesst. Was man bei dieser Hitze bei der Ernährung alles beachten soll. Alles zum hundertsten Mal, denn es ist ja unser erster Sommer.
Fast jeder Artikel kann bewertet und kommentiert werden. Und dann frage ich mich, warum sind Menschen so? Haben die nichts Besseres zu tun?
Ich glaube, sie sind so, weil sie sich nicht abgrenzen können. Die Flut unwichtiger (und wichtiger) Nachrichten hat sie mitgerissen und sie treiben irgendwo hin, ohne es zu merken. Die Wellen werden immer höher, das Wasser tiefer. Ebenso die Überforderung, mit all den News, in denen man zu ertrinken droht. Aber weil man mittendrin ist, merkt man auch das nicht mehr und irgendwann wird man eins mit der Welle….
Ich glaube, wir haben gar keine Kapazität für sowas. Wir müssen nicht darüber lesen, mit wievielen Frauen Brad Pitt schon geschlafen hat oder ob am andern Ende der Welt jemand ein vierblättriges Kleeblatt gefunden hat. Es ist auch total unnötig, dass jede:r sich über alles und alle eine Meinung bilden und diese dann noch allen mitteilen muss. Wen interessiert denn das alles überhaupt?
In der ganzen Flut gehen Nachrichten unter, die wichtig sind. Nachrichten, zu denen wir tatsächlich eine Meinung haben sollten. Und wir gehen auch darin unter. Wir und unsere Menschlichkeit, unsere Fähigkeit zu unterscheiden was relevant ist und was nicht und unsere Empathie für einander, weil wir immer so abgelenkt und überaus beschäftigt sind.


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