Remember me


Ich stehe mitten im Leben. Jetzt. Und hoffentlich noch eine ganze Weile. Aber es ist mir bewusst, dass mindestens die Hälfte meines Lebens rum ist. Und das ist wohl bereits eine positive Einschätzung der Lage. Falls ich so jung sterben würde wie meine Eltern, blieben mir nur noch ein paar Jahre. Doch diese Angst habe ich weitgehendst hinter mir gelassen, was mich viele Jahre und noch mehr Therapiesitzungen gekostet hat, um ehrlich zu sein. Und trotzdem mache ich mir Gedanken. Wer tut das nicht?

Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr da bin?

Schlussendlich weiss ich es nicht. Das einzige, was wirklich bleibt, was das wichtigste ist, ist mein Kind. 50% mich und 50% mein Mann, in mir gewachsen, von mir geboren worden und wächst nun in unserer Familie auf. Wir beide prägen sie, geben ihr einen Rahmen in dem sie sich entwickeln kann, setzen Grenzen und Ziele. Lieben sie. Mir ist es sehr wichtig, ihr meine Wertvorstellungen und Haltungen zu allen möglichen Themen des Lebens mitzugeben. Das tut man als Eltern ja automatisch, indem man mit den Kind zusammen lebt. Und ihr alles vorlebt. Und sie wird es erleben, dass ihre Eltern sterben. Und ich weiss nicht, ob ich irgendwann einmal dazu bereit sein werde, ihr diesen unglaublich grossen Schmerz zuzufügen…

Und was bleibt sonst noch?

2018 jähren sich die Todestage meiner Eltern zum elften und zum zwanzigsten Mal. Besonders meine Mutter ist weit weg, so empfinde ich es. Und doch im Unterbewusstsein sehr präsent, wie ich es immer wieder sehe wenn ich wegen irgendwas in die Kinesiologie gehe und immer wieder das Thema Mutter aus meinem Unterbewusstsein hoch kommt. Bewusst in den Gedanken ist sie natürlich schon noch oft, aber irgendwie weit weg.
Es sind zwanzig Jahre. Eine lange Zeit. Ich habe mich seither verändert. All das ist nicht spurlos an mir vorbei gegangen. Ich bin erwachsener und reifer geworden und vielleicht auch viel, viel stärker und viel, viel verletzlicher. Ich habe mich an ein Leben ohne sie gewöhnt. Etwas, das ich mir damals überhaupt nicht vorstellen konnte. Und meine Mutter? Sie wäre jetzt eine ältere Frau. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, weil ich sie nur jung kannte.

Es ist auch krass, wie Erinnerungen verblassen. Obwohl man das nicht will. Ich wollte mich für immer erinnern, sie niemals vergessen. Und ich vergesse sie auch nicht, nein. Aber ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern. Nicht mehr an ihre Stimme zum Beispiel. Auch nicht mehr so richtig daran, was für eine Person sie so war, was ihr wichtig war, was sie mochte. Und das macht mich schon manchmal traurig…

Und so wird es auch mit mir geschehen. Die Leute werden mich nach und nach vergessen. Nicht mit Absicht, ganz sicher nicht. Aber wenn jemand stirbt, wird einem sehr schnell bewusst, dass man weiter leben muss, dass es gar nicht anders geht. Die Zeit und das pochende Leben reissen uns mit sich. Die Jahre vergehen, es kommen neue Menschen ins Leben, Erinnerungen verblassen, werden schwächer und schwächer…

Und ich möchte das nicht. Jedenfalls nicht zum jetztigen Zeitpunkt.

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About Me

Mein Name ist Andrea und ich bin die Frau hinter den Worten und Gedanken in diesem Blog.
Alleinerziehende Mama eines Kindes im Autismus Spektrum, Sozialpädagogin und am Ende einfach ein Mensch auf dieser Erde wie jeder andere auch.

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